Die Flammen von Lindisfarne
in Ehren zu erkämpfen!“ grollte Lars Wolfssohn. „Hole dir eine Waffe, Widar, und lass uns Kämpfen wie Freie - nicht den Faustkampf der Knechte, in dem ich unterlag. Du weißt ja trefflich den Speer zum Schleudern und erwiesest dich dadurch als wahrer Krieger. Hinfort mit deinem Knechtstum. In meinen Augen bist du ein freier Mann trotz des geschorenen Haars und dem Sklavenring. So, und nun, freier Mann, zeige mir, dass du mich auch mit der Schärfe der Axt besiegst!“
Widar knurrte wenige, unverständliche Worte und verschwand in der Hütte. Nach einer kurzen Weile kehrte er mit einer anderen Axt zurück. Über das Gesicht des Alten glitt ein freudiges Leuchten, als er sah, wie sich die beiden jungen Krieger vorsichtig mit zum Schlag wie zur Abwehr erhobenen Äxte umkreisten. Seine Gedanken gingen zurück an die Tage seiner Jugend und seines Mannestums, als er selbst mit aller Kraft die Waffen schwang.
„Komm an, Wolfssohn!“ stieß Widar hervor. „Spring in den Reigen und lasse den Vortänzer nicht warten.“
„Hier bin ich, dir die Melodie zum Tanze Tyrs zu spielen!“, schrie Lars und griff an. Mitten in der Luft trafen sich die Blätter beider Äxte. Ein helles Kreischen. Dann fiel das Axt-Blatt Widars, vom Hieb des Wetterschlag getroffen, zerschlagen zu Boden. Der bläuliche Stahl hatte das Eisen zerschnitten wie ein Messer ein Stück Käse. Ein dröhnendes Lachen des Alten quittierte den Hieb. Er schien die Macht und die Schärfe dieser Streitaxt gut zu kennen.
Bevor Widar begriff, dass seine Waffe im ersten Ansturm zuschanden geworden war, schwang Lars die Axt noch einmal und traf mit der flachen Seite des Blattes den Schädel des Gegners. Durch Widars mächtigen Körper rieselte ein Zucken. Er verdrehte die Augen und der Stiel der zerstörten Axt entfiel kraftlos seiner Hand. Dann stürzte Widar Eisenfaust wie eine gefällte Eiche zu Boden. Sofort war Lars Wolfssohn über ihm. Bevor er den ohnmächtigen Gegner fesselte, lauschte er, jede Vorsicht vergessend, nach den Tönen des Herzens. Dann erhob er sich und sah zu dem Alten hinüber.
„Mein Schlag traf hart. Aber er schläft nur“, sagte er dann. „Wenn er erwacht, wird sein Schädel brummen wie ein Bienenstock, aus dem der Bär den Honig schleckt.“
Erst nach diesen Worten löste er weitere Lederriemen von Widars Gürtel und begann, ohne sich um den alten Mann zu kümmern, die Hände und Füße des geschlagenen Gegners kunstgerecht zu fesseln.
„Du bist ein mutiger Jüngling und hast alle Anlagen zu einem tapferen Kämpfer. Doch ich zweifele daran, ob du je ein Krieger wirst, dem der Bart sprießt“, erklang hinter ihm die lachende Stimme des Alten. In diesem Moment spürte er die bohrende Spitze in seinem Nacken.
„Eine kleine Handbewegung, zu der sogar noch meine schwächer werdende Kraft noch ausreicht, und dich küsst die Walküre“, erklang die Stimme des Greises in gutmütigem Spott.
Gedankenschnell ließ sich Lars nach vorne fallen, er rollte sich herum und seine zugreifenden Finger fanden das Heft der Axt. Mit einem Satz war er auf den Füßen und nahm Kampfstellung ein. Verwundert sah er, dass ihn der Alte offenbar nicht hatte, töten wollen, sondern ihm nur seinen Leichtsinn beweisen wollte.
„So rasch du warst, es hätte dich nicht vor meinem Stoß gerettet“, lachte der Alte. „Vergiss niemals dass ein Bär, sei er auch noch so alt, immer ein Bär bleibt - und damit gefährlich. Und ein Schwertmann wird nicht zum alten Weib, nur weil ihn das Alter beugt und die Kraft aus seinen Gliedern entweicht. Ein Schwertführer bleibt so lange ein Kämpfer, bis er tot ist. Merke dir, was ich dich eben gelehrt habe, Jüngling!“ Der Greis wurde wieder ernst. „Alle anderen Weisheiten des Kampfes sage dir ... dieser Jüngling, der mir lieb war, wie mein Sohn ... wenn du ihn am Leben lässt!“
„Warum soll ich ihn töten?“, fragte Lars verständnislos. „Einen Mann wie Eisenfaust können wir als Gehilfen in der Schmiede gut gebrauchen.“
„Deine Gestalt und die Farbe deiner Haare sagen mir, dass deine Ahnen nicht von Ringan kommen“, sagte der Alte nach einer Weile.
„Meine Mutter kommt aus den Südlanden, wo man Allvater Odin als Wotan anruft“, gab Lars zurück. „Snorre, der Schmied, nahm sie auf und gab ihr und ihrem Sohn Nahrung und Obdach. Den Vater kenne ich nicht. Lars Wolfssohn ruft man mich an den Ufern des Ringan-Fjord.“
„So bist du ein
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