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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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beugen, wo es doch egal ist, ob Odin, Allah oder der Heliand über uns walten“, erklärte Sigurd achselzuckend. „Ich vertraue nur meiner Kraft und nicht der Macht eines Gottes, wie auch immer sein Name sei. Deshalb glitten damals die salbungsvollen Bekehrungsversuche der Kreuzpriester von mir ab wie die Sturzsee an einer Jacke aus Walrosshaut. Aber im ganzen Frankenland bis hinauf zu der See-Dänen Reich beten die germanischen Völker zu Jesus Christus. Selbst das störrische Sachsen-Volk, so hörte ich sagen, beugte sich jetzt vor dem Heliand.“
     
    „Nicht vor jenem welschen Gott des Südlandes beugt sich das stolze Haupt des Sachsen, sondern vor den Blutschergen des Königs Karl, dem du dientest!“ rief Wulfegar, der Sachse, mit bitterer Stimme.
     
    „In den Tagen meiner Jugend diente Karl, dem Herrn der Franken, gegen die Anbeter Allahs. Ich war einer seiner Paladine, der besten Kämpfer, die seinen Thron umgaben. Und so zog ich mit ihm hinab in das Wonneland Hispanien, das die Muslimen, dort auch Mauren genannt, mit dem Recht des Schwertes gewonnen hatten. An der Seite von Roland, dem tapfersten Helden, der je ein Schwert schwang, stürmte ich für König Karl die Mauern von Pamplona und zog mit ihm vor die Mauern von Saragossa“, erklärte Sigurd stolz. Atemlos lauschten die Mannen seinen Worten. Es kam selten vor, dass der Schildspalter über jene Zeiten redete.
     
    „Du kanntest den Helden Roland, von dem auch bei uns die Lieder erklangen?“ fragte Wulfegar interessiert.
     
    „Ich war bei den Mannen, mit denen Roland am Pass von Roncevalles den Rückzug von König Karls Heer deckte“, antwortete der hochgewachsene Wikinger mit den freundlichen hellen Augen und strich sich über den Bart. „Denn der Emir von Saragossa hatte die Basken, wilde kampflustige Bergvölker, gegen uns aufgeboten und ihre Beutegier gereizt. Olivier, sein Freund, riet Roland, einen Boten zum König zu senden, dass er Hilfe hole. Roland jedoch war zu stolz, um Hilfe zu fordern und wollte es wagen, die heulend anstürmenden Basken alleine zu bekämpfen. Da wollte keiner von uns vor seinem Mut zurückweichen. An Rolands Seite traten wir einem übermächtigen Feind entgegen, der keine Gnade kannte.“
     
    „Dieser Roland handelte mit der Ehre des Nordens!“ rief Haakon Bärensprung beifällig. „Es geziemt sich nicht um Hilfe zu rufen, noch ehe Schwert, Schild und Speer die Stärke des Feindes erprobt haben!“
     
    „Einen Tag und eine Nacht lang hielten wir den wild anstürmenden Basken stand“, erzählte Sigurd weiter. „War das ein Kampf. Es war ein Schlachten und nicht eine Schlacht zu nennen. Unsere Schilde waren zerhackt, die Helme zerschrotet, die Kettenhemden zerfetzt und die Schwerter schartig wie das Blatt einer Säge. Doch für jeden Feind, den unsere Waffen niederstreckten, schienen sich zwei weitere zu erheben und schreiend auf uns einzudringen.“
     
    Er hielt einen Augenblick inne und blickte in die Gesichter der Gefährten. In ihren Augen erkannte er, wie sehr sie seine Erzählung mitriss. Vor ihren geistigen Augen erlebten sie diesen Heldenkampf mit und fühlten sich selbst mitten im Wirbel des Kampfes.
     
    „Weiter, Schildspalter“, stieß Jarl Haakon mit rauher Stimme gespannt hervor, obwohl er diese Geschichte schon einige Male gehört hatte.
     
    „Als die Lage aussichtslos wurde und uns die Feinde von den Bergen der Passschlucht in den Rücken fielen, befahl mir Roland, den Durchbruch zu wagen und den König zu rufen“, sagte Sigurd, nachdem er einen tiefen Schluck aus dem Horn genommen hatte. „Ich hieb mir mit Schwert und Axt den Weg frei und sprengte mit verhängtem Zügel hinter der Hauptmacht des Heeres her. Immer wieder zügelte ich mein Ross und hob das fränkische Heerhorn, um mit aller Kraft hinein zustoßen, dass der Schall in schauerlichem Echo durch die Berge der Pyrenäen sprang.
     
    Dann kam mir eine Abteilung Reiter entgegen, die König Karl selbst führte. Im Traum hatte er den Olifant, Rolands Horn, gehört und war sofort zur Rettung aufgebrochen. Doch als wir uns mit unseren erschöpften Pferden dem Pass näherten, hörten wir zum letzten Mal den Schall des Olifant. Es war sein Schwanengesang und matt klang Rolands Sterbelied.“
     
    „Was wurde aus dem Horn?“ wollte Wulfegar wissen.
     
    „Von der Kuppe des Passes herab sahen wir, dass Roland, vom Blut seiner Wunden überströmt, niedergesunken war“, berichtete Sigurd. „Wie die Geier, die auf den Tod des

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