Die Flammen von Lindisfarne
dieses Gottes seit Anbeginn der Zeit vorherbestimmt war und schon in grauer Vorzeit von Sehern verkündet wurde“, erklärte Sigurd ruhig. „Sie haben mir erklärt, dass der Gottes-Tod notwendig war, um die Menschen zu erretten. Da gibt es die Dämonen der Hölle, mit denen sie wohl die Kreaturen aus dem Reich der Hel meinen. Und die haben sich mit einem gewissen Feuergeist namens Satanas verbündet und den Untergang der Menschen geplant. Der Christen-Gott habe dies alles gewusst und sei von seiner Himmelsburg ausgezogen, um gegen Satanas zu streiten.“
„Wie kann ein toter Gott gegen Hel-Geschöpfe und Feuergeister kämpfen?“ fragte Thorsten Elchnase und Lars spürte in seinem Inneren, dass ihm der kräftige Bauer die bohrende Frage abgenommen hatte.
„Sein Tod war ein Teil seines Plans“, belehrte ihn Sigurd. „Denn von seinem Throne jenseits der Gestirne konnte Christus nicht hinab gelangen in die Felsenschlünde von Helheim, in der Eiswasser gurgeln, sich Lindwürmer ringeln und die Drachenbrut ihr Gift verspritzt. Also nahm er, der Gott, die Gestalt eines Menschen an und ließ sich schmachvoll töten. Als toter Mensch konnte er nämlich in das Schattenreich hinabfahren, um dort mit den Dämonen Helheims zu ringen und sie zu besiegen. Drei Tage wogte der Kampf, dann war Satanas, der Gehörnte mit dem Bockfuß, gebunden und in den Feuerpfuhl gestürzt. Und als Lebender, so sagen die Männer, die an ihn glauben, hätte der Mensch Jesus siegreich das Grab verlassen. Durch diese Tat sei er dann zum Heliand, geworden, der...!“
„Das ist es! Der Christengott war im Reich der Hel!“ rief Hrolf Silberhaar aufgeregt. „Aber nicht besiegt hat er das Gelichter der unteren Grauwelt, sondern sich mit Satanas, wie die Christen Loki nennen mögen, verbündet, weil er nach dem Thron der Hohen von Asgard giert. Aufgerufen hat er sie, unsichtbar durch Midgard zu wandeln und die Menschen zur Treulosigkeit gegen die Welt-Schöpfer und Welt-Erhalter jenseits der Weltesche zu verführen.“
„Mögen sie das tun bei den Neidkönigen der welschen Völker der Südlande! Wir Nordleute stehen fest zu Odin und den Asen!“ dröhnte Thorleifs Stimme und die ganze Halle brüllte begeistert Beifall. In freudigem Stolz nickte Jarl Haakon seinem Sohn zu und gebot dann wieder Ruhe.
„Unterschätzen wir die Macht der Christen-Priester nicht!“ rief Hrolf Silberhaar beschwörend. „Ihre Worte sind wie die Gänge von Maulwürfen und Wühlmäusen, die man nicht sieht und die dennoch großen Schaden anrichten. Schon ist es den Dienern und Propheten des Christengottes gelungen, dass man überall in den Ländern rund um das Meer von Midgard von den alten Göttern abgefallen ist. Selbst in den germanischen Gauen zerhieb man die heiligen Haine, um Christen-Tempel aus dem Holz der göttergeweihten Bäume zu zimmern. Nur hier im rauen Norden ist der Glaube an das Geschlecht der Asen noch stark!“
„Die Asen sind so stark wie wir. Ihre Söhne, die sie zeugten!“ Björn Baumfäller erhob sich und reckte seine riesenhafte Gestalt. „Welche Götter vermöchten es wohl mit Thor und Odin an Stärke und Weisheit aufzunehmen. Es ist einfach Unvernunft, nein, es ist Dummheit, nicht an sie zu glauben!“
„Die Christen mögen hierher kommen und wir zeigen ihnen, welcher Gott stark ist!“ rief Lars impulsiv und das ärgerliche Schnaufen des Jarl, dass sich ein Jüngling in die Rede lang erprobter Krieger mischte, ging unter im Beifall der Halle. Immer wieder wurden die leeren Hörner emporgehoben, dass die Mägde sie mit den großen Kellen erneut füllen konnten.
„Die Götter der Menschen haben mannigfaltige Namen“, mischte sich Sigurd Schildspalter erneut ein. „Und nicht nur die Christen glauben an einen einzigen Gott. Es gibt dunkelhäutige Völker mit schwarzkrausem Haar, die ihren Gott Allah nennen. Im Süden des Frankenlandes ziehen sie gegen die Scharen des hellen Christ zu Felde. Sie nennen sich Muslimen und ich habe sie damals bekämpft, als ich im Heer König Karls Dienste nahm. Die Muslimen glauben an die Worte ihres seltsamen Propheten Mohammed und fechten für ihren Gott Allah mit der gleichen Leidenschaft wie die Anbeter jenes Heliand Jesus für ihren Christengott!“
„Und du, Schildspalter, bist zwischen all diesen Christen und Moslimen Odin und den Göttern deiner Väter treu geblieben?“ fragte Hrolf Silberhaar interessiert.
„Warum sollte ich mich unter dem Taufwasser
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