Die Flammen von Lindisfarne
Und ich...ich werde seinen Tod rächen und den Fenriswolf töten. Über Schneefalls blitzende Schneide wird sich das Blut des Riesenwolfs ergießen...“
„Auf lohen wird Walhall, von Surts Feuersturm erfasst“, dröhnte die Stimme des Priesters. „Und wenn die herrliche Halle rauchend zusammenstürzt, dann erfasst der Brand Yggdrassil, die ewige Weltesche! Ist aber der Weltbaum verbrannt, dann verlohen Himmel und Erde. In Lokis flammendem Element vergeht die Welt. Und der Götterdämmerung folgt die ewige Nacht folgt - ewig, bis zu dem Tage, da Balder, der tote Gott des Lichtes, das Hel-Reich überwunden hat und einen neuen Himmel und eine neue Erde schafft!“
„All diese Worte der Weissagungen sind uns bekannt“, nickte Jarl Haakon, während der Odinspriester Atem schöpfte. „Und du sagtest bereits als du die Halle betratest, dass sich die Zeit erfüllt hat und von Süden her das Verderben naht.“
„Ja, die Tage Lokis dämmern herauf. Ein neuer Gott wird im Süden verehrt, den sie den hellen Christ nennen“, erklärte Hrolf Silberhaar. „Man erzählt sich, dass dieser Gott einst ein Mensch war, der über die Erde wandelte. Er soll strahlend, lichthell und freundlich wie unser Gott Balder gewesen sein. Und so gütig und segenspendend wie Freyer, der Meer-Wanen-Herr. Doch Neidinge schlugen ihn in Banden und töteten ihn.“
„Was schert uns ein Gott, der sich von Menschen erschlagen lässt?“ fragte Snorre. „So ein Gott kann dem weisen Odin oder dem starken Thor doch nicht gefährlich werden.“
„Der Gott vielleicht nicht, aber seine Priester“, sagte Silberhaar nach einigen Augenblicken des Nachdenkens. „Denn die Männer, von denen die Lehre des hellen Christ verbreitet wird, sind tückisch beredet wie Loki, der Feuer-Arge.“
„Was schadet den Herren von Asgard ein neuer Gott?“ wunderte sich der Jarl. „Wenn es wirklich ein Gott ist, wird er vielleicht bald in ihre here Halle einziehen und in Balders Hause wohnen. Auch die Wanen, die aus der Tiefe des Meeres heraus die Asen bekämpften, wohnen ja wie Freyer zu einem guten Teil jenseits der Regenbogenbrücke in ihrem nassen Element. Und wenn der helle Christ wirklich ein gütiger Gott ist, so wird ihm Balder selbst einen Platz in Breidablick einräumen.“
„Die Anhänger des hellen Christ verlangen, dass man alle Götter Asgards leugnet und nur noch zu ihm betet!“ dröhnte die Stimme des Priesters. „Das scheidet seine Gläubigen von allen unserer germanischen Nachbarn im Süden, die nur andere Namen für die gleichen Götter gebrauchen. Selbst das Volk der mächtigen Romaburg im Lande Italia verehrte Odin einst als Jupiter, Thor als Herkules und Balder als Apollo.“
„Wie schon gesagt wurde, ist Walvater Odin bei unserem Volke Wotan, der weise Wanderer wie auch der wütende Schlachtenlenker“, mischte sich Wulfegar, der Sachse, ein. „Sein Weib Fricka, die Hüterin des Heimes und der Ehe, nennt man hier Frau Frigga. Freia, die Holde und eure Freya ähneln sich. Der gewaltige Donar ist euer Donnerer Thor und Freyer, den Fruchtspender, nennt man bei uns zu-lande Fro. Loki, den listigen Herrn des Feuers nennen wir den lodernden Loge. Balder, der gütige Gott des Lichtes und der Versöhnung heißt Baldur und Tyr, der einarmige Herr des Krieges ist Tiu Saxnot, der Stammvater unseres Volkes.“
„Doch die Christen, ja, so nennen sie sich nach ihrem Gott, die verlangen, dass man die Hohen von Walhall nicht mehr ehren soll.“ grollte Silberhaars Stimme in heiligem Zorn. „Für die Christen sind unsere alten Götter Kreaturen von Helheim. Die Narren verlangen, dass man den Asen keine Ehre mehr zollt, sondern nur noch ihren hellen Christ anbetet.“
„Was für ein Unsinn?“ ereiferte sich Thorsten Elchnase. „Wer aber nicht mehr an Odin glaubt und mit seinem Namen auf den Lippen stirbt, den übersehen wie Walküren und nehmen ihn nicht mit nach Walhall. Herab sinkt er ins finstere Reich der Hel, wo er in der düsteren Halle bei freudlosem Mahl auf den letzten Tag wartet. Welcher Mann wird sich für einen solchen Gott von Odin lösen?“
„Recht geredet, wackerer Mann!“ rief der Priester, der selbstverständlich nicht den Namen jeden Mannes wusste. „Wer aber den Glauben an den hellen Christ annimmt und Wahlhalls Wonnen verschmäht, das mag gerade der Kämpfer sein, der in den Reihen der Einherier fehlt und weil er in Schande gestorben ist, verstärkt er das Leichenheer der Hel.
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