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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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ich denke, die haben jetzt mit Schmausen und Zechen genug zu tun und werden sich nicht um Gebete kümmern.“
     
    „Für König Karl war es ein Grund, mit seinem Heer einmal das ganze Sachsenland zu durchwandern, um den Mörder eines Heiligen zu strafen“, fuhr die Frau fort. „Ohne Kriegserklärung griffen sie uns an. Drei Stunden wogte der Kampf auf den Wällen der Hammerburg, dann brach der übermächtige Feind ein. Johlend metzelten die Franken alles nieder, was nicht vor der geschwungenen Axt niederkniete.“
     
    „Und du, Mutter, hast du gekniet?“ fragte Lars und sah Wiltrudis an, die in diesem Augenblick im Stolz wie eine Göttin emporwuchs. Die Heldentochter eines Heldenvaters.
     
    „Ich kniete nicht, sondern kämpfte, mein Sohn“, Wiltrudis sah Lars mit einem versteckten Lächeln an. „Vom Vater hatte ich gelernt, Waffen zu führen und Brunhilde, Wotans wackere Walküre, war stets mein geheimes Wunschbild gewesen.
     
    Meine Mutter Heiderune wurde bei diesem Kampf von einem Pfeil getötet, als sie vom Wall herab Steine auf die Angreifer warf. Wie ich fürchtete sie, das uns die Franken in ein Kloster sperren würden und wollten eher den Tod erleiden, als den Rest unserer Tage im steinernen Gefängnis der Klostermauern zu verdämmern. Und so kämpfte ich, den Scrama-Sachs des Vaters schwingend, mehr um den Tod als um das Leben.
     
    Doch nicht Tapferkeit entschied diesen Kampf, sondern die Überzahl der Feinde. Einer nach dem anderen von Thiudbrands Tisch- und Kampfgenossen sank nieder und verröchelte sein Leben unter den Bissen der Frankenschwerter. Fechtend wurde ich an der Seite Thiudbrands bis zur Halle zurückgedrängt.
     
    Wie ein Bär, der vor der Höhle gestellt wird, kämpfte der gewaltige Friese dort seinen letzten Kampf. Den zerhackten Schild hatte er verworfen und den zerborstenen Helm vom Kopf gerissen. Blut sickerte aus den Wunden seines Körpers und der rote Lebenssaft durchzog in dünnen Rinnsalen das Grau seiner Haare. Doch die Kraft war noch nicht aus Thiudbrands Armen gewichen. Seine mächtige Axt zerklaffte Helme und zerhieb Schilde. Immer wieder mussten die Franken ihre Toten fortschaffen, um Raum für einen neuen Angriff auf Thiudbrand zu bekommen.“
     
    Wiltrudis musste Atem schöpfen. Die Erinnerung überwältigte sie. Mit dröhnender Stimme tranken die Wikinger auf das Andenken des tapferen Thiudbrand und luden ihn ein, unsichtbar an ihrer Tafel Platz zu nehmen.
     
    „Wie der gewaltige Donar, der die Gestalt eines Menschen angenommen hat und mit dem Mjöllnir-Hammer die Riesen erschlägt, so erschien Thiudbrand den Feinden“, erzählte Wiltrudis nach einer Weile. „Schließlich wagte sich keiner der fränkischen Hasenherzen mehr an den aus vielen Wunden blutenden Greis. Aus sicherer Entfernung schleuderten sie ihre Speere. Und so, feige gefällt, sank Thiudbrand zu Boden. Aber ich bin sicher, dass die unsichtbar über ihm schwebende Walküre sein Unsterbliches sofort auf ihr licht-weißes Ross zog.“
     
    „Heil, Thiudbrand Friesensohn! Diesen Trunk zu deinem Gedenken“ rief Jarl Haakon, hob sein Methorn und leerte es. Mit lauten Rufen taten es ihm die Wikinger nach. Wieder wurden die Trinkhörner zu Ehren des Toten umgedreht.
     
    „Mich selbst fingen die Franken mit einem unserer Fischernetze“, berichtete Wiltrudis weiter. „Anders konnten sie mich nicht greifen, weil ich ihre frech nach meinem Körper greifenden Hände mit dem Sachs zerhieb. Gefesselt wurde ich mit den letzten Überlebenden vor den Königsgrafen gezerrt, denn man sagte, dass der König selbst nach Thiudbrands Tod  fort geritten sei.
     
    Erst behandelte man mich als Widukinds Tochter mit allen Ehren. Für die Franken war ich ein starkes Faustpfand, mit dem man den Vater zwingen wollte, sich auf Gnade und Ungnade in König Karls Hände zu ergeben. Doch als die Franken erfuhren, dass ich ein Kind der Liebe, nicht aber der ehelichen Bande war, wurde ich als Geisel für sie wertlos.“
     
    „Fielen die überlebenden Leute der Hammerburg vom Glauben ihrer Väter ab?“, wollte Hrolf Silberhaar wissen.
     
    „Es war nur unfreies Volk, das den Kampf überlebt hatten. Zitterten vor Angst um ihr Leben beugten Thiudbrands Knechte und Mägde ihr Haupt dem Taufwasser. Dann mussten sie alle die grausamen Gesetze König Karls, die ihnen der Fronbote vorlas, wiederholt nachsprechen. So kann niemand behaupten, der aus Furcht vor dem Tode die Taufe nahm, dass er nicht wusste, die Rückkehr zu den

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