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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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alten Göttern genau so den Tod bedeutete, als ob man sich gleich weigerte, vor dem Kreuze zu knien.
     
    Die Gesetze der Franken bedrohen nicht nur jeden mit dem Tode, der zu Weihesteinen und Hainen geht. Auch wer nur den Priestern und Anhängern unseres alten Glaubens Gastrecht gewährt, soll sterben. Da bei den Opfern für Wotan oder Baldur das Fleisch der Opferpferde verzehrt wird, ist nach dem Frankengesetz des Todes geweiht, wer Pferdefleisch isst. Wer sich nicht im Wasser auf den hellen Christ taufen lässt, den tauft man mit seinem eigenen Blut im Namen Wotans, den sie den Teufel nennen.
     
    Ich alleine weigerte das Christenbad. Stolz zeigte ich den Thor-Hammer, den ich heute noch als Amulett trage und den ihr alle kennt. Der Vater meiner Mutter bekam ihn schon von seinen Ahnen und trug ihn in Treue zu den hohen Asen. Wie konnte ich, die Tochter Widukinds, vom alten Glauben abfallen? Doch unter den Knechten war ein Neiding, der dem Frankengrafen hinterbrachte, dass ich ein Trud-Weib, eine Hexe sei. Eine Wald-Frau, die geheimer Künste mächtig ist und mit der Alraune-Wurzel die Toten lebendig zu machen versteht.“
     
    „Und da haben dich die Feinde sicher ziehen lassen“, mutmaßte Ragnhild. „Nur Narren wagen es, den Zorn der Truden auf sich zu lenken. Mit ihren geheimen Künsten vermögen sie, alle Schrecken der Nacht zu ihrem Schutze oder ihrer Rache herbeizurufen!“
     
    „Die Christen fürchten sich nicht vor Truden, sondern glauben sich sicher im Schutz ihres Gottes“, erwiderte Wiltrudis bitter. „Außerdem verstehe ich nur etwas von der heilenden Kräuterkunde und bin keine echte Trude. Doch nach König Karls Gesetz genügte bereits meine Weigerung, mich der Taufe zu beugen, für das Urteil Tod durch Enthaupten.
     
    Durch die Anklage der Hexerei wurde die Hinrichtung durch das Schwert in den Tod durch Verbrennen verschärft. Schon in der Nacht schichtete man einen mächtigen Holzhaufen um einen starken Pfahl. Daran sollte ich zur Stunde, wenn die Sonne den nächsten Tag begrüßt, lebendig verbrannt werden. So lag ich, mit schweren Fesseln gebunden und von mehr als zwanzig Frankenkriegern bewacht, in einem der Ställe und betete zu Fricka, dass sie meine Leiden verkürzen möge. Ein wenig Wind aus der rechten Richtung und man erstickt im Rauch, bevor Loges Lohe am Körper empor lecken.“
     
    „Neidiges Natterngezücht“, knurrte Haakon Bärensprung und hieb mit der Faust auf den Eichentisch. „Doch du bist hier bei uns und branntest nicht. Nun sage uns, wer dich rettete.“
     
    „Er!“, sagte Wiltrudis und hob ihren Blick empor.
     
    „Der Hohe?“, fragte Hrolf Silberhaar verblüfft.
     
    „Wotan selbst kam, um mich zu befreien!“, rief Wiltrudis mit verklärtem Gesicht. „Der Gott wies mir Treue, wie ich ihm die Treue hielt!“
     
    „Erzähle!“, forderte der Odins-Priester auf. Lars spürte, wie sich die Nägel seiner Hände schmerzhaft in den Ballen vergruben, als er hörte, was seiner Mutter widerfahren sollte.
     
    „Die Tür war nicht fest verriegelt, da ich mich in meinen Fesseln kaum bewegen konnte“, berichtete die Frau. „Da erkannte ich durch die Gitter im Dämmerlicht der Fackeln auf dem Gang die hohe Gestalt eines Mannes. Er trug einen dunkelblauen Mantel und einen schwarzen Hut, dessen breite Krempe fast sein edel geschnittenes Gesicht verdeckte. Er hatte einen vollen Blondbart mit einem Hauch Röte darin. Eines der Augen deckte eine dunkle Binde, während das andere mir wie ein helleuchtender Stern erschien, der tief hinab in die Seele der Menschen blickt. In der Rechten hielt er einen mächtigen Speer ...“
     
    „Odin ... der Hohe ... er rettete sie ...“, flüsterte es ringsum. „Der Mantel und der Hut des grauen Wanderers ... das Auge, das er für die Weisheit an Mimirs Brunnen gab ... die Rotfarbe seines Bartes, die er seinem Sohn Thor vererbte ... Odin ...“
     
    „Wotan, der Wanderer der Welt, war zur rechten Zeit erschienen. Mein Herz klopfte zum Zerspringen ich wagte kaum zu atmen“, setzte Wiltrudis ihre Erzählung fort. " Inspring haptbandum - Invar Vigandum -- Entspring Haftbanden! - Entfahre Feinden! Erklang die leise Stimme des Gottes. Dann zerschnitt er mit der Speerspitze meine Fesseln und gab mir mit einem Winken der Hand zu verstehen, dass ich ihm folgen solle.
     
    Er legte seinen Arm um mich und hüllte mich mit in seinen Mantel. So führte mich der Gott durch die Reihen der Feinde. Der Wolkenmantel machte uns unsichtbar für die

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