Die Flammen von Lindisfarne
Franken spie immer neue Krieger hervor, die sich ausgeruht oder gestärkt durch das Himmelsbrot ihres Gottes in die männerverschlingende Schlacht warfen. Als zum dritten Mal das Licht des hellen Tages entfloh und die Schatten der Nacht, wie schwarze Rosse heran jagten, brach der Widerstand des Sachsenheeres zusammen!“
„Rede, wie das geschah“, dröhnte Jarl Haakons Stimme. „Wie kam Unsieg über Waffen und Wehr des Sachsenvolkes?“
„Es geschah, als sich die beiden großen Gegner auf dem Schlachtfeld trafen!“, rief Wulfegar. „Denn endlich war es Widukind gelungen, sich dorthin durchzukämpfen, wo König Karl, umgeben von seinen Paladinen, selbst focht. Der Frankenkönig erkannte den Gegner und wies die Hilfe seiner Krieger zurück. Mutig wie ein Germanen-Fürst sein soll stellte sich König Karl selbst Herzog Widukind zum Entscheidungskampf. Ich konnte alles, was ich erzähle, genau mit ansehen, denn ich ritt bei diesem Treffen an der Seite meines Herzogs. Doch heute führte seine Hand nicht den bewährten Sachs, sondern ein Schwert, das zu berühren nur den Priestern des Kriegsgottes erlaubt ist.
Aus heiligem Hain hatten Tius treue Diener das Schwert Saxnot geholt, mit dem der Gott einst selbst den Riesen Raganhar erschlug. Mit dieser unvergleichlichen Waffe, die nach den raunenden Worten der Vorväter von Tiu selbst geschmiedet wurde, sollte Widukind sein Volk anführen. Drei Tage lang hatte er mit dem Saxnot die Reihen der Franken niedergemäht wie der Schnitter des reife Korns. Und drei Tage hatte die Klinge keine Scharte erhalten, obwohl sie sich durch Leder, Holz und Eisen ins Leben der Feinde biss.
Ich sah Herzog Widukind auf seinem steigenden Schwarzross mit dem hoch aufgestreckten Siegesschwert des Gottes gegen den Herrn der Franken reiten. Der spornte seinen Schimmel zum scharfen Galopp und schwang sein mächtiges Langschwert, das er die Freudige Klinge nannte.
„ Walvater weise Tius Triumph !“, hörte ich Widukind rufen. „ Am Siegesschwert Saxsnots zerschelle des Christgottes Kraft!“
„Durch die Kraft von Jesus Christus zerbricht das Werk der Asen-Teufel!“, rief der große Karl und Feuer schien aus seinen Augen zu lodern.
Zwischen den Kämpfern trafen die beiden Herren aufeinander. In sausendem Bogen schwangen sie ihre Schwerter und mit hellem Klirren trafen sich die Klingen. In diesem einen Schwerthieb besiegelte sich das Schicksal des Sachsenvolkes.
Denn die freudige Klinge zerschnitt den heiligen Saxnot wie einen Nebelstreif. Es war, als habe der helle Christ selbst unsere Götter zertrümmert. Mit einem tief gequälten Schrei warf Widukind das Heft der zerbrochenen Götter-Waffe von sich und wandte seinen Rappen zur Flucht.“
Ein Aufstöhnen ging durch die Halle. Vor ihren geistigen Augen hatten die Wikinger den Heldenkampf miterlebt. Wenn die Waffe zerbrach, dann war es, als ob der Schicksalsfaden der Nornen zerreißt.
„Als das heilige Schwert zerspellte, da brach auch die Schlacht zusammen“, Wulfergars Stimme klang müde. „Schneller als die Schwalbe im Frühling über die Felder streift, flog die Kunde durch die sächsischen Kampflinien, dass uns der Christengott das uralte Siegschwert Tius zerschlagen hätte und die alten Götter vor den Scharen des hellen Christ zurückwichen. Da war kein Halten mehr und kein geordneter Rückzug. Die Herzen vor Todesgrauen um-krallt, über ihren Häuptern die entsetzlichen Schlachtbeile der Franken, so flohen wir Sachsen in die schützenden Wälder.“
Unten in der Halle stürzten die Wikinger den Trunk mit grimmiger Miene hinunter. Warum hatten die Götter es zugelassen, dass die viel-getreuen Sachsen scheitern mussten?
„Ich gestehe, dass auch ich, wie Tausende anderer todesmutiger Krieger, mir den Schild auf den Rücken warf und mit Pfeilen spicken ließ, während ich im Dickicht Zuflucht suchte“, sagte Wulfegar bekümmert. „Wieder entfloh Widukind mit seiner Gefolgschaft an den Hof des Dänenkönigs. Und ich folgte ihm, weil dort meine Tochter Thursula vom Kind zur blühenden Maid heranwuchs. An Göttriks Hof waren wir in Sicherheit. Doch alle Kunde, die wir aus Sachsenland vernahmen, klang nach Tod und Vernichtung, denn diesmal gab sich König Karl nicht damit zufrieden, dass sich ihm der sächsische Adel unterwarf. Er hatte geschworen, die Sachsen unter das Kreuz zu beugen oder sie von der Erde zu tilgen. Unerbittlich setzte er den Krieg zur Ausrottung der Sachsen
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