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Die Flammen von Lindisfarne

Die Flammen von Lindisfarne

Titel: Die Flammen von Lindisfarne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf W. Michael
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geraten, dienen in Ehren als Knechte. Man muss einen Unterschied machen zwischen einem bezwungenen Kämpfer und einem Feigling, der seine Nordland-Ehre vergisst und vor der Axt niederkniet, um sein Leben zu wahren. Dieser ist nicht wert, unser Knecht zu heißen, dem wir die Ehre geben, an unserer Seite zu arbeiten. Ein Sklave wird er für uns, um der Knecht unserer Knechte zu werden.“
     
    „Auch die Äxte und Speere von Agantyr-Fjord werden uns willkommene Beute sein!“, sagte Thorsten Elchnase nach einer Weile. „Vielleicht warten auch einige Schwerter darauf, toten Händen zu entgleiten, um vom Ringan-Wiking zu neuem Ruhm geschwungen zu werden. Und Schwerter, so meine ich, sind schon einen Kampf wert.“
     
    „Die Lieder künden von einem mächtigen Met-Kessel, den Frodin in seiner Halle hütet“, Olaf leckte sich die Lippen. „Ägir, der Meer-Wanen Herr, soll in seinem Palast auf dem Grunde des Eismeeres keinen größeren und herrlicheren Kessel besitzen.“
     
    „Die Ehre dem Jarl und die Beute den Mannen! Was braucht es mehr Grund zu einer Wikinger-Fahrt?“ lachte Harald Drachenreiter und stemmte sich gewaltig gegen das Steuer des Schiffes.
     
     
     
    Schwert-Tod
     
    Langsam schälten sich die Konturen von Grymgard aus den aufwallenden Morgen-Nebeln. Die Siedlung bestand aus mehr als vierzig kleinere Hütten und Gehöften aus Holz, deren Dächer von Moos und Flechten überwuchert waren. Sie zogen sich den langsam ansteigenden Hang empor und schienen sich an das steil dahinter aufragende Felsmassiv anzuschmiegen. Das Zentrum von Grymgard war die mächtige Halle, die zwischen den kleineren Häusern einer Glucke zwischen den Küken glich. Vier mittelgroße Schiffe waren an zwei Stegen festgemacht und dümpelten im träge bewegten Wasser des Fjord.
     
    Der Wächter auf der felsigen Höhe oberhalb von Grymgard schien zu schlafen oder die durch den schützenden Nebel herangleitenden Schiffe von seiner hohen Warte aus nicht zu erkennen. Nichts zeigte an, dass die Männer Jarl Frodins das heranrauschende Verderben bemerkten. Stille lag über dem Fjord. Nur vom Ufer her waren die ersten Rufe der erwachenden Singvögel zu vernehmen. Aus der Ferne krächzte verschlafen ein Rabe.
     
    „Odin sieht auf uns!“, brummte Snorre in seinen Bart. „Schon früh sandte er seinen Boten, dass er unseren Kampf beachte. Der Rabe wird Heervater Kunde bringe, welchen der Helden er wegen seiner Tapferkeit im Kampf besonders begrüßen muss, wenn er nach dem Schlacht-Tod in Walhall erscheint.“
     
    Ein Handzeichen des Jarl im Bug zeigte an, dass nun jede Rede zu schweigen habe. Die Küste war noch vier Bogenschussweiten entfernt. Jarl Haakon und Harald Drachenreiter, der Steuermann der „ SEEPFERD “, verständigten sich durch Handzeichen. Die Zeichen wurden auch auf der „ MEERMAID “ und der „ WALROSS “ erkannt und genau befolgt.
     
    Mit leise knarrenden Tauen ging das mächtige Segel nieder und wurde sofort kunstgerecht verstaut. Die Fahrt des Schiffes reichte aus, das Ufer zu erreichen. Behutsam ergriffen die Männer die Ruder und schoben sie fast geräuschlos durch die Öffnungen in der zweiten Planke unterhalb der Bordwand. Mit ihnen sollte die Fahrt kurz vor der Landung so gebremst werden, dass die Schiffe beim Auflaufen auf den flach ansteigenden Strand nicht unnötig zu Schaden kamen. Die Schilde waren schon vorher aus den Halterungen der Bordwand genommen worden, damit sie bei der Landung sofort zur Hand waren. Wer von den Männern nicht das Ruder hielt, machte sich bereit, über Bord zu springen, wenn der Ufersand unter dem Kiel knirschte. Über hundert kampfbegierige Nordmänner fieberten auf den Beginn des Schwerter-Tanzes...
     
    Eine herrische Handbewegung des Jarl ließ Olaf Metkanne zum Bug wechseln. Der Skalde verstand die Kunst, dem mächtigen Horn des Ur-Stiers dumpfe, fast weihevolle Töne zu entlocken. Da wussten die Männer im Schiff, dass sie nicht wie ehrlose Räuber die Schlafenden meucheln sollten, sondern dass die Männer von Grymgard, vom Schall des Horns aus dem Schlummer gerissen, die Waffen ergreifen konnten. Denn nur, wer mit dem Schwert, der Axt oder einer anderen Waffe in der Hand fällt, den finden die Walküren würdig für einen Platz in Walhall.
     
    Lautlos durchpflügten die Drachenschiffe die kräuselnden Wellen des Fjord. Mit dem Schwert gab Jarl Haakon dem Steuermann im Heck den Kurs an. Doch Harald hieß nicht umsonst wegen seiner Künste der Drachenreiter .

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