Die Flammende
war sein gutes Recht, seinen Verstand aufzugeben für das Vergnügen, ihr zu erliegen, aber nichts, was Fire noch ermutigen würde. Sie nahm den Schal um ihren Kopf nicht ab, schob sein Bewusstsein zur Seite und ging an ihm vorbei in ein Nebenzimmer, wo er sie nicht sehen konnte. Eigentlich war es eher eine dunkle Abstellkammer mit Regalbrettern voller Ãlkännchen und Politur und altem verrosteten Werkzeug, das niemand mehr benutzte.
Es war beschämend, sich in eine muffige alte Abstellkammer zurückziehen zu müssen. Eigentlich sollte der Schmied derjenige sein, der sich schämte, schlieÃlich war er der Dummkopf, der beschlossen hatte, auf seine Selbstbeherrschung zu verzichten. Und wenn sie ihn davon überzeugte, sein Messer zu zücken und sich das Auge auszustechen, während er sie anstarrte und sich ausdachte, was immer sein kleiner Verstand sich ausdenken mochte? Solche Dinge hatte Cansrel gerne gemacht. Cansrel hatte sich nie zurückgezogen.
Die Männerstimmen verstummten und das Bewusstsein des Schmieds verschwand aus der Waffenkammer. Die groÃen Räder an Lord Brockers Stuhl quietschten, als er auf Fire zurollte. Er blieb an der Tür zur Abstellkammer stehen. »Komm raus, mein Kind; er ist weg. Dieser Trottel. Wenn ein Mausmonster ihm das Essen vor der Nase wegnähme, würde er sich am Kopf kratzen und überlegen, ob er es schon gegessen hat. Lass uns in mein Zimmer gehen. Du siehst aus, als solltest du dich besser hinsetzen.«
Archers Haus war Brockers Haus gewesen, bevor Brocker seinem Sohn die Führung des Anwesens übertragen hatte, und Brocker hatte schon im Rollstuhl gesessen, bevor Archer geboren war. Das Haus war so angelegt, dass sich alles auÃer Archers Räumen und den Dienstbotenkammern im Erdgeschoss befand, wo Brocker hinkam.
Fire ging neben ihm her einen steinernen Flur entlang, der im grauen Licht, das durch hohe Fenster hereindrang, dämmrig dalag. Sie gingen an der Küche, dem Speisesaal, dem Treppenhaus und der Wache vorbei. Das Haus war voller Leute; Diener und Wachen kamen von drauÃen herein und von oben herunter. Die Dienstmädchen, an denen sie vorbeikamen, grüÃten Brocker, waren jedoch darauf bedacht, Fire mit gewappnetem und unbewegtem Bewusstsein zu ignorieren. Wie immer. Wenn Archers Dienerinnen sie nicht hassten, weil sie ein Monster und Cansrels Tochter war, dann hassten sie sie, weil sie in Archer verliebt waren.
Fire war froh, als sie in Lord Brockers Bibliothek in einen weichen Sessel sinken und das Glas Wein trinken konnte, das ihr eine unfreundliche Dienerin in die Hand drückte. Brocker stellte seinen Rollstuhl ihr gegenüber. Seine grauen Augen ruhten auf ihrem Gesicht.
»Ich kann dich gerne allein lassen, meine Liebe«, sagte er, »wenn du ein bisschen schlafen möchtest.«
»Später vielleicht.«
»Wann hast du das letzte Mal richtig gut geschlafen?«
Brocker gegenüber konnte sie bedenkenlos Schmerzen und Müdigkeit zugeben. »Ich kann mich nicht erinnern. Es kommt nicht sehr häufig vor.«
»Du weiÃt, dass es Mittel gibt, die dir beim Einschlafen helfen.«
»Davon werde ich nur benommen.«
»Ich habe gerade meine Geschichte der militärischen Strategie in den Dells abgeschlossen. Du kannst sie gerne mitnehmen. Davon schläfst du ein, während sie dich gleichzeitig schlau und unbesiegbar macht.«
Fire lächelte und nippte an dem bitteren dellianischen Wein. Sie bezweifelte, dass Brockers Buch sie einschlafen lassen würde. Alles, was sie über Armeen und Kriege wusste, hatte sie von ihm gelernt, und er hatte sie noch nie gelangweilt. Vor gut zwanzig Jahren, zur Glanzzeit des alten Königs Nax, war Brocker der groÃartigste militärische Oberbefehlshaber gewesen, den es je in den Dells gegeben hatte. Bis zu jenem Tag, an dem König Nax ihn ergreifen und seine Beine zerschmettern lieàâ nicht einfach brechen, sondern zerschmettern, von acht Männern, die sich mit einem Holzhammer abwechselten â und ihn dann halb tot nach Hause zu seiner Frau Aliss in den Norden der Dells schickte.
Fire wusste nicht, was Brocker Schreckliches verbrochen hatte, das eine solche Behandlung durch seinen König rechtfertigte. Archer wusste es ebenso wenig. Dieser ganze Vorfall hatte vor ihrer Geburt stattgefunden und Brocker sprach nie darüber. Und die Verletzungen waren nur der Anfang gewesen, denn ungefähr zwei
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