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Die Flammende

Die Flammende

Titel: Die Flammende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Kristin; Diestelmeier Cashore
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lügen und ihr Bewusstsein vor ihm zu verschließen, damit er nicht merkte, dass sie log. Das verwirrte sie noch mehr: dass sie sich so nach seinen Besuchen sehnte, aber sobald er kam, zu lügen begann.
    Mit vier hatte sie einen Hund, den sie aus einem Wurf ausgesucht hatte, der in Brockers Stall geboren worden war. Sie hatte ihn ausgesucht und Brocker hatte ihn ihr geschenkt, weil der Hund nur drei gesunde Beine hatte und das vierte hinterherzog und daher nicht für die Arbeit taugte. Er war dunkelgrau und hatte helle Augen. Fire nannte ihn Twy, eine Abkürzung für Twilight – Dämmerung.
    Twy war ein zufriedener, leicht trotteliger Kerl, der nicht wusste, dass ihm etwas fehlte, was andere Hunde hatten. Er war leicht erregbar, sprang viel herum und hatte die Tendenz, gelegentlich nach den Menschen, die er am liebsten hatte, zu schnappen. Und nichts versetzte ihn in größere Aufregung, Angst, Freude und Entsetzen als Cansrels Anwesenheit.
    Eines Tages stieß Cansrel im Garten unerwartet auf Fire und Twy. In seiner Verwirrung sprang Twy Fire an und biss sie mehr, als dass er nach ihr schnappte, so fest, dass sie aufschrie.
    Cansrel kam zu ihr gerannt, fiel auf die Knie und nahm sie in die Arme, während ihre Finger auf sein Hemd bluteten. »Fire! Alles in Ordnung?« Sie klammerte sich an ihn, weil sie einen kurzen Augenblick lang Angst vor Twy gehabt hatte. Aber als ihr eigener Verstand wieder klar wurde, sah und spürte sie, wie Twy sich immer wieder gegen einen schräg stehenden, scharfkantigen Stein warf.
    Â»Hör auf, Vater! Hör auf damit!«
    Cansrel zog ein Messer aus dem Gürtel und ging auf den Hund zu. Fire kreischte und packte ihn. »Tu ihm nichts, Vater, bitte! Spürst du nicht, dass es nicht so gemeint war?«
    Sie griff nach Cansrels Bewusstsein, aber er war zu stark für sie. Sie hing an seiner Hose, trommelte mit ihren kleinen Fäusten auf ihn ein und brach in Tränen aus.
    Da hielt Cansrel inne, schob das Messer zurück in den Gürtel und stand wutschnaubend da, die Hände in die Hüften gestemmt. Twy humpelte winselnd mit eingezogenem Schwanz davon. Und dann schien Cansrel sich zu verändern, kniete sich wieder neben Fire, nahm sie in die Arme, küsste sie und murmelte tröstende Worte, bis sie aufhörte zu weinen. Er säuberte und verband ihre Finger. Er hielt ihr einen Vortrag darüber, wie man das Bewusstsein von Tieren kontrolliert. Als er sie schließlich entließ, machte sie sich auf die Suche nach Twy, der sich bis in ihr Zimmer geschleppt hatte und dort verwirrt und beschämt in einer Ecke kauerte. Sie nahm ihn auf den Schoß und übte, sein Bewusstsein zu besänftigen, um ihn beim nächsten Mal beschützen zu können.
    Als sie am nächsten Morgen aufwachte, hörte sie das gewohnte Geräusch nicht, das Twy machte, wenn er vor ihrer Tür herumtappte. Stattdessen war es vollkommen still. Den ganzen Tag über suchte sie auf ihrem und auf Brockers Grundstück nach ihm, aber sie konnte ihn nicht finden. Er war verschwunden. Cansrel sagte mit gespieltem Mitgefühl: »Wahrscheinlich ist er weggelaufen. Das tun Hunde manchmal. Mein armer Schatz.«
    Und so lernte Fire, ihren Vater anzulügen, wenn er sie fragte, ob jemand sie verletzt hatte.
    Im Laufe der Jahre kam Cansrel immer seltener zu Besuch, blieb aber länger, da die Straßen unsicher waren. Wenn er nach monatelanger Abwesenheit plötzlich in der Tür stand, brachte er manchmal Frauen mit oder Händler, die ihm Tiere und Drogen oder neue Monster für seine Käfige verkauften. Manchmal war er seinen ganzen Besuch lang berauscht vom Gift einer Pflanze; oder er war komplett nüchtern und hatte eigenartige, willkürliche, düstere Wutanfälle, die er an allen außer Fire ausließ. Zu anderen Gelegenheiten war er so klar und herrlich wie die hohen Töne, die Fire auf ihrer Flöte spielte. Sie hatte jedes Mal Angst vor seiner Ankunft, seinem dreisten, großartigen, ausschweifenden Eindringen in ihr ruhiges Leben. Und nach jeder Abreise war sie so einsam, dass Musik das Einzige war, was sie trösten konnte, und sie sich Hals über Kopf in ihre Unterrichtsstunden stürzte, wobei ihr noch nicht einmal die Momente etwas ausmachten, in denen ihr Lehrer wegen ihres zunehmenden Könnens hasserfüllt oder verärgert war.
    Brocker verschonte sie nie mit der Wahrheit über Cansrel.
    Ich will dir

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