Die Flammenfrau
Priesterinnen der Gwenyar verfehlten niemals ein Ziel, sie waren die besten Bogenschützinnen des Nordens. Sie hatten ihn getroffen, doch keine hatte vermocht, den Magier zu töten.
Lursa hob die Augen und versuchte das Gesicht des Mannes zu ergründen; seine blutverschmierten Lippen hatten sich von ihr gelöst. Äußerlich hatte er sich nicht verändert, jede Faser seiner Haut war ihr vertraut, jeder Atemzug war genauso untrennbar von dem ihrigen wie damals. Seine Augen glänzten. Lursa tauchte ein in diesen Blick und gab schweigend ihr Einverständnis zu dem, was nun kommen würde.
»Einen Sohn«, bat sie und ließ es geschehen, daß seine Hand ihre Schenkel auseinanderschob. Er nickte, um zu zeigen, daß er verstanden hatte, und lächelte wieder.
»Einen Sohn und was immer Ihr sonst noch begehrt, meine schöne Priesterin der Nacht.«
Seine Finger strichen zärtlich über die feuchte Haut, fuhren über ihren Bauch und die Brüste hinauf zu ihren Lippen, streichelten wieder weich über ihre Wangen, während sein Mund sich in ihren Hals vergrub. Seine ebenmäßigen Zähne spielten zärtlich mit der pochenden Ader, und Lursa begann, ihr schlagendes Herz zu fühlen. Schwer lag sein Gewicht auf ihren Gliedern, doch mit einer nicht enden wollenden Gier suchte ihr Körper die Erfüllung. Mit dem ihr eigenen Zauber verlor sie sich an die brennende Fackel, die sich gnadenlos in ihren Leib bohrte, ihn mit der Hitze eines glühenden Sternes aufflammen ließ, um ihn dann in ekstatischer Weise zu verbrennen.
6
Bruno schaute durch die schwarzen Zinnen des Burgturms hinunter. Der Morgen war kalt, und der Wind, der nun schon seit Wochen wieder von Norden herüberwehte, schnitt ihm scharf ins Gesicht. Sein Blick verlor sich in den nahen Bergen, die sich wie dunkle, drohende Wächter vor ihm auftürmten. Irgendwo dahinter, dachte er, lag der große See, der im vergangenen Winter zu einer riesigen Schneefläche gefroren war und auch jetzt wahrscheinlich schon wieder zu Eis erstarrt sein würde. Dann folgten weiter südlich ein paar sanfte Hügel, und dahinter lag die kleine Stadt mit dem Hafen. Der Ritter seufzte. Er fühlte sich gefangen, wie ein Tier im Käfig, obwohl es keine sichtbaren Ketten gab, die ihn fesselten.
Die Luft hatte wieder diese metallische Schwere wie im vergangenen Winter, eine Mischung aus Schnee und Schwefel, die ihm unangenehm in den Kopf stieg und einen bitteren Geschmack auf der Zunge hinterließ. Der kurze Sommer hatte ihm gezeigt, daß über diesem Land eine ähnlich helle Sonne wachte wie über dem goldenen Worms. Bruno sehnte sich nach den Wäldern, seiner Heimat und nach dem Glitzern des Rheines in der Morgensonne. Er schloß für eine Weile die Augen und versuchte es sich vorzustellen. Die silbernen Fluten des Rheins tauchten vor ihm auf, und er dachte an das letzte Mal, als er dort am Ufer gestanden hatte. Es war einige Zeit, nachdem er die tote Geliebte dem Rhein übergeben hatte. Genovefa war ihm erschienen. In ihrem weißen Gewand hatte sie vor ihm gestanden und hatte ihm gesagt, er solle nach Norden reisen. Jetzt war er im Norden. Einen Winter und einen Sommer lang war er bereits hier an einen ritterlichen Schwur gebunden, den er in einem schwachen Augenblick der Hüterin des Feuers gegeben hatte. Er fühlte sich dabei wie ein wildes Tier in der Falle. Was hatte Genovefa damit bezweckt, ihn hierher zu senden?
Er schaute sich um. Immer noch die schwarzen Berge und der Lavaring. Alle Trauer, alle Schmerzen der Vergangenheit waren leichter zu ertragen als dieses Leben in der Fremde. Kein Schwertkampf, keine Dichtkunst, statt dessen Feuer und eine Zauberin, die ihn mit ihrer Liebe verfolgte. Die düstere Aussicht, einen weiteren Winter hinter diesen schwarzen Mauern festzusitzen, erlaubte ihm jedoch wenigstens, über eine Flucht nachzudenken. Er sollte mit Faramund darüber reden, aber dann verwarf er den Gedanken wieder. Es war unmöglich, er konnte nicht fliehen.
In jener Nacht, als Luovana an der Säule zusammenbrach, da hatte er geschworen, ihr Ritter zu sein. Sie hatte damals im Sterben gelegen. Eine fiebrige Krankheit hatte sie plötzlich befallen, und Antana, die Tänzerin, hatte die ganze Nacht bei Luovana im Raum des Lichtes gewacht. Antana war nicht nur eine gute Tänzerin, sondern auch eine kenntnisreiche Heilerin. Am Morgen, als das Fieber gesunken war und sie wußte, daß Luovana überleben würde, hatte sie Bruno
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