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Die Fliege Und Die Ewigkeit

Die Fliege Und Die Ewigkeit

Titel: Die Fliege Und Die Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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von anderen Teilen seines Körpers.
    Gehört genauso dazu, denkt er. Hat die gleiche Berechtigung.
    Er sitzt auch einige Minuten, das dicke Schreibheft vor sich aufgeschlagen, aber er schreibt nichts. Liest nur die Seiten, die er in der letzten Woche aufgezeichnet hat.
    Der Abend setzt früh ein, und der Hunger auch. Er hat seit dem Morgen nichts gegessen. Der Kühlschrank zeigt eine gähnende Leere. Sich anzuziehen und hinauszugehen, widerstrebt ihm sehr, schließlich bringt er ein Käseomelett zu Wege. Das ist alles, was er zu Stande bringt, mit Brot, Zwiebeln, einer Tomate und einer Flasche Bier muss es für so einen Tag reichen. Er isst im blauen Lichtkegel des Fernsehers. Das Telefon klingelt einige Male, aber er macht sich nicht die Mühe, ranzugehen.
    Noch später raucht er die einzige Zigarette des Tages. Die ersten Rauchkringel erinnern ihn an den Geruch der verlausten Uniformen, die beim Kriegsende, in seiner Kindheit, verbrannt wurden. Diese nicht herbeigerufene Erinnerung gefällt ihm nicht, trotzdem raucht er die Zigarette auf. Gegen Ende schmeckt sie mehr oder weniger wie immer.
     
     
    Nur ein Betrachter, denkt er, als er den Aschenbecher ausspült. So jemand sieht die Wahrheit mit Sicherheit viel früher als andere.
    Er weiß, dass dieser Gedanke tatsächlich genau in dem Moment in ihm auftaucht, als er am Spülbecken steht, denn als er später in der Nacht von ihr träumt, steht sie in der Türöffnung hinter seinem Rücken, und er kann sie nicht richtig erkennen.
     

11
     
    D ie Zeit vergeht.
    Ein kleiner Abschnitt. Mehrere Nächte nacheinander wird Maertens von bizarren Träumen heimgesucht, über die er lange nachdenkt. Sie ähneln ganz und gar nicht den Träumen, die er gewohnt ist. Sie erscheinen stets in den frühen Morgenstunden. Er wacht von ihnen auf, genau wenn das erste graue Licht sich in das Dunkel seines Schlafzimmers drängt.
    Er träumt, er wäre eine trächtige Wolke, die ihren Regen nicht gebären kann, da es so etwas wie Regen in der Welt nicht gibt. Niemand hat je von dieser Erscheinung gehört. Ihm ist klar, das dieser Traum als das Bedürfnis zu deuten ist, auf die Toilette zu gehen, aber als er aufwacht, kann er feststellen, dass dem nicht so ist.
    Er träumt, dass er ein Buchstabe in einem fremden Alphabet ist, aber ein Buchstabe, den niemand im Lande mehr benutzt, da er einen Laut repräsentiert, der so grässlich klingt, dass ihn niemand aussprechen möchte.
    Er träumt, dass er und Tomas Borgmann ein Schiff bauen, um zu einem noch unentdeckten Kontinent zu fahren, aber als sie zum Aufbruch bereit sind, merken sie, dass ihr Fahrzeug so klein ist, dass nur eine Person hineinpasst. Er bringt Tomas Borgmann um, vergräbt ihn am Strand und setzt sich in den Sand, um auf günstige Winde zu warten. Doch die ganze Zeit weht es nur aus der falschen Richtung.
    Er träumt, dass er Gott ist und all seine Kraft dafür verwendet, den Menschen begreiflich zu machen, dass er die Welt nicht geschaffen hat, dass er keinerlei Befugnisse hat und dass sie ihm vollkommen gleichgültig sind.
    Mit derartigen Träumen steht Maertens zu ganz normalen Tagen auf. Der Frühling macht kleine Fortschritte. Die trockenen Ranken des wilden Weins an der Südwand bekommen einen Hauch von Violett, die Sonne scheint des Abends weiter in die Küche. Endlich gelingt ihm ein Remis in einer schnellen Englischen Partie, The Duchess liegt immer noch stinkend am Kamin, und am dänischen Hof gehen die Intrigen pflichtschuldigst einige Zeilen weiter. Pflichtschuldigst.
     
    Und kommt er nicht zurück?
Und kommt er nicht mehr zurück?
Er ist tot! o weh!
In dein Todesbett geh,
Er kommt ja nimmer zurück.
     
    Dennoch hat er das Gefühl, dass diese kleinen Ereignisse im Lichte nur eintreffen, um die Gedanken der grauen Sonntage zu Schanden zu machen. Es scheint ihm, als geschähe alles Richtige in der Nacht, nicht am Tage. Aber all das ist natürlich auch nur sehr vage. Alle Gedanken sind so kurzlebig ... das Einzige, was er sicher weiß: Er wartet.
    Wartet auf den nächsten Zug. Wartet in erster Linie darauf, dass sein Widersacher zurück zum Spielbrett kommt.
    Und er träumt, dass er der weiße Königsbauer und hoffnungslos in die schwarze Dame verliebt ist. Die einzige Handlung, mit der er seine Liebe zeigen kann, ist, sein Leben zu opfern, und also erleidet er wirklich einen blutigen und vollkommen sinnlosen Tod für einen Springer auf e6.
    Am Tag nach diesem Opfer wird er endlich von seinem Warten

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