Die Fliege Und Die Ewigkeit
Tomas drückt seine Zigarette aus, zündet sich aber sofort eine neue an. Er beugt sich über den Tisch und zwingt Leon, ihn anzusehen.
»Bist du krank?«
»Nein. Nur Kopfschmerzen ...«
Er schaut Leon an. Ernst, fast streng. Leon versucht sich jetzt zu konzentrieren. Es geht um viel ... ein einziges Mal wünscht er sich, Tomas’ Gedanken lesen zu können, aber er ist sich nicht sicher, wer eigentlich einen Vorteil davon hätte.
»Sprich weiter!«, sagt Leon.
Tomas lehnt sich wieder zurück. Nimmt einen Zug und fährt fort.
»Nach zwanzig Minuten taucht der Professor im Zimmer auf. Er holt einige Papiere und Bücher aus seiner Aktentasche und läuft dann eine Weile hin und her, raucht und packt Sachen vom Schreibtisch in die Regale und umgekehrt... Ich kann ganz genau sehen, was er macht, und allein das, vollkommen ungestört im Baum sitzen zu können und ihn zu beobachten, ja, das ist ein ungemein stimulierendes Gefühl. Ich glaube wirklich, ich werde es noch einmal tun. Nun ja, als er mit dem Hin- und Hergehen aufhört, klopft er seine Pfeife im Kamin aus, zündet ein Feuer an und setzt sich an den Schreibtisch. Schiebt ein paar Zeitschriften und Bücher zur Seite, legt sie auf ordentliche Stapel ... direkt vor ihm befindet sich jetzt nur noch ein leerer weißer Bogen Papier, und er hält einen Stift in der Hand. Kannst du mir folgen?«
Leon nickt.
»Der Schreibtisch ist zum Garten hin ausgerichtet, er steht direkt vor dem Fenster ... Wenn er den Blick hebt, um klarer zu denken, hat er ihn tatsächlich geradewegs auf den Baum gerichtet, auf dem ich sitze. Einen Moment lang habe ich fast ... nein, das ist natürlich nur Einbildung.«
Leon lockert den Druck auf die Schläfen ein wenig. Er öffnet die Augen und betrachtet den Bücherstapel auf dem Schreibtisch. Einen halben Meter hoch, sicher fünfundzwanzig Bücher ...
»Dann fing er an zu schreiben ... Ich wünschte, ich hätte ein Fernglas dabei gehabt, nicht, weil ich dann hätte lesen können, was er schreibt, aber es hätte mir die Möglichkeit gegeben, den Text zu sehen, die Struktur der Buchstaben auf dem Papier ... obwohl ich es doch wusste. Man musste ihn nur beobachten: Zuerst schrieb er ganz oben ein paar Zeilen, dann schob er den Stift ein wenig tiefer und schrieb etwas sehr Kurzes, um das er dann einen Kreis zog.«
Hier musste Leon trotz allem protestieren.
»Unmöglich! Du kannst auf diese Entfernung nicht gesehen haben, wie jemand einen Kreis zieht! Was hast du gesagt, wie weit war es? Zehn Meter ...?«
»Nun ja, ich glaube zumindest, dass es ein Kreis war, aber es ist natürlich nur eine Vermutung ... Ich nehme an, dass es um eine Ziffer ging ... eine Eins. Du weißt doch, dass er immer einen Kreis um die ganzen Zahlen zieht ... ja, dann lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück, schaute wieder direkt aus dem Fenster hinaus, ins Nichts. Es war ganz offensichtlich, dass er nachdachte. Er dachte über eine Formulierung nach ... Nach einer halben Minute war er soweit, er beugte sich vor und schrieb schnell ein paar Zeilen, betrachtete dann das Resultat, korrigierte ein oder zwei Worte, betrachtete sie erneut und zog plötzlich die Mundwinkel hoch! Überraschend, nicht wahr? Es war jedenfalls offensichtlich, dass er zufrieden war ... ja, dann schrieb er eine neue Ziffer auf, lehnte sich wieder zurück und überlegte.«
»Ich verstehe. Du brauchst die Details nicht so genau auszuführen.«
»Gut. Schon von Anfang an war also vollkommen klar, womit er da beschäftigt war ... genau wie ich es vorausgesehen hatte. Mit den Examensaufgaben. Er saß da und schrieb die Examensaufgaben.«
Leon brachte ein Schnauben hervor.
»Vollkommen klar? Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe. Warum kann es sich nicht um irgendetwas vollkommen anderes handeln? Ich dachte, du hättest Logik studiert?«
Tomas schüttelt langsam den Kopf. Er lächelt ein wenig überheblich, genau wie er es immer tut, wenn er etwas wiederholen muss, weil die Erklärung etwas zu schnell gegangen ist.
»Na gut. Es gibt natürlich eine winzige Möglichkeit, aber ich halte es nicht für besonders wahrscheinlich. Er fährt morgen früh nach Boston. Wenn ich mich geirrt haben sollte, ja, dann wird sich das herausstellen. Dann kann man nichts machen. Aber im Prinzip ändert das nichts.«
Leon denkt einen Moment lang nach. Er sieht ein, dass Tomas in diesem Punkt Recht hat. Bei jedem Spiel gibt es zwei Möglichkeiten: sich zu entscheiden, ob man überhaupt spielen
Weitere Kostenlose Bücher