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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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haben? Gott wartet auf uns. Sein Geheimnis offenbart er am letzten Tag.“
    „Ich bin aus der Kirche ausgetreten“, verriet Mike der Ordensschwester. „Aber ich wünsche meinem Vater, dass Sie Recht haben.“
    „Warum haben Sie der Kirche den Rücken zugekehrt?“, fragte Serva.
    „Weil ich nicht verstehe, warum Papst Benedikt XIV., der jetzt zurücktritt, die Kirchensteuer von uns Schwulen annimmt, aber uns gleichzeitig krank nennt. Seit ich gelesen habe, warum der emeritierte Kirchenrechtsprofessor Hartmut Zapp das System Kirche anprangert, fühle ich mich darin noch mehr bestätigt.“
    „Helfen Sie mir auf die Sprünge“, bat Serva. „Ich weiß nicht, was er gesagt hat.“
    „Ganz einfach“, entgegnete Mike. „Die katholische und die protestantische Kirche in Deutschland besitzen zusammen genommen angeblich über 50 Milliarden Euro. Darin seien die jährlichen Sondereinnahmen durch Spenden, staatliche Subventionen und Einnahmen aus Grundstücksbesitzen noch nicht mit eingerechnet. Außerdem verdiene die Kirche jährlich über neun Milliarden durch die Kirchensteuer. Aber gleichzeitig – und jetzt kommt Zapps Kritikpunkt – ginge das meiste Geld aus der Kirchensteuer für die Verwaltung drauf. Nur ein Bruchteil desjenigen Geldes, das mit einer normalen Sonntagskollekte eingesammelt würde, flösse in die Gemeinden. Das wüssten die meisten Spender gar nicht.“
    „Mit der normalen Kollekte werden auch Hilfsorganisationen wie die Caritas unterstützt“, sagte Serva. „Auf deren Unterstützung sind immer mehr Menschen angewiesen. Vor allem in Zeiten von Hartz IV.“
    Mike griff zum Artikel Wehe, ihr zahlt nicht mehr! aus der Zeit und sagte: „Ich will nicht über Geld diskutieren – und ich freue mich darüber, dass Sie meinen Vater so sehr unterstützen. Aber wenn Sie mich fragen, warum ich aus der Kirche ausgetreten bin, landen wir automatisch bei den Widersprüchen. Gerade mal fünf Prozent des Budgets von Caritas und Diakonie kommen angeblich von der Kirchensteuer. Andererseits gibt es einen Bischof, der First-Class fliegt und sich in einer Luxuslimousine mit getönten Scheiben chauffieren lässt. Er hat sogar ein Apartment mit einer eigenen Kapelle. Und wussten Sie, dass sich der allergrößte Teil der katholischen Kindergärten und fast alle kirchlichen Schulen, Altenheime und Krankenhäuser fast nur aus öffentlichen Steuermitteln, Kassen- und Patientenbeiträgen finanzieren? Diese Geldmacherei der Kirche würde ich nie unterstützen.“
    „Geldmacherei?“
    „Ja! Die Gläubigen werden doch gemolken! Es ist eine Unverschämtheit, dass die kirchlichen Sakramente in Deutschland von Zahlungen ihrer Schäfchen abhängen. Die deutsche Kirche handelt noch immer nach dem Ablassprinzip, laut dem man sich das Seelenheil erkaufen soll. Außerdem ist die Kirchensteuer in anderen europäischen Ländern viel geringer: In Italien beträgt sie 0,8 Prozent der Bruttoeinkommensteuer, in Spanien 0,7 Prozent des zu versteuernden Einkommens – in Deutschland hingegen acht bis neun Prozent der Einkommensteuer!“
    „Geld ist doch nicht alles, Herr Powelz“, sagte Serva.
    „Stimmt! Geld ist nicht alles… Aber denken Sie doch mal an die ganzen Missbrauchsfälle, die die Kirche gemeinsam mit dem Kriminologen Christian Pfeiffer aufklären wollte. Nun sind seitenweise Akten aus den damaligen Personalakten von Kirchenangestellten verschwunden oder der Zugang wird versperrt. Oder denken Sie daran, dass gleich zwei katholische Krankenhäuser in Köln einem Vergewaltigungsopfer die Hilfe verweigert haben. In der Kirche ist der Wurm drin! Davor kann man die Augen nicht verschließen!“
    „Gott ist für Sie da, obwohl Sie an ihm zweifeln“, sagte Serva. „Wie für jeden anderen Menschen. Manchmal sind unsere irdischen Wege dunkel, aber am Ende steht Gott da und breitet seine Arme weit aus. Wenn wir sterben, können wir ein Summen im Körper spüren. Das verheißt uns die Ankunft Gottes.“
    Sie blickte den schlafenden Kranken an. „Ich habe Ihrem Vater ein Holzkreuz mitgebracht. Damit werde ich ihn segnen.“
    Als Serva das Licht dimmte, wurde die Stimmung im Zimmer feierlich. Die Ordensschwester hielt das Kreuz über den Kranken, und sagte: „Der Herr halte seine Hand über Dir. Er stärke Dich von innen, um Dir den Weg zu weisen.“
    Herbert erwachte und sagte: „Mein Jesus, Barmherzigkeit!“
    „Das sind drei Worte, die mein Mann vor vielen Jahren von einer anderen Ordensschwester genannt bekommen hat“,

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