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Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
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viel wiegen? Soll es etwa Luft sein?“
    „Manchmal tritt Flüssigkeit aus dem Körper aus“, gab Dr. Albers zu bedenken. „Andererseits habe ich viele Male erlebt, dass sich der Mensch nach dem Tod noch verändert. Das liegt nicht allein daran, dass er gekämmt, geschminkt und umgekleidet wird. Ich persönlich schaue die Toten am liebsten an, wenn sie gerade gegangen sind. Dann sehen sie noch so natürlich aus.“
    „Liegen frisch Verstorbene eigentlich immer auf dem Rücken?“, fragte Montrésor.
    Dr. Albers’ Antwort versetzte Minnie in großes Erstaunen. „Auf das Gros der Menschen trifft das zu“, erklärte der Psychologe. „Doch ich habe schon Tote in den verschiedensten Körperpositionen gesehen. Manche krümmen sich zusammen wie Babys – in der typischen Embryonalhaltung. Sie sind auf der Seite gestorben. Das erinnert mich immer daran, dass Geburt und Sterben der gleiche Prozess ist, bloß in umgekehrter Richtung.“
    „Glauben Sie, dass wir nach dem Tod zu Gott kommen?“, fragte Anne.
    „Wenn ich ganz ehrlich bin“, meinte der Psychologe, „kann ich alle Interpretationen über das, was uns Menschen nach dem Tod erwartet, nachvollziehen.“
    Interessiert sah ihn Annette an. „Wie meinen Sie das?“
    „Ich gebe Ihnen gern ein Beispiel. Wenn man den Tod nicht als Strafe interpretiert, kann man alles nachvollziehen. Ich glaube nicht an die Hölle. Die Natur ist nicht verschwenderisch. Warum also sollte die Energie, die in uns steckt, restlos verpuffen? Gut möglich, dass wir als Echo zurückkommen. Oder als Partikel. Oder als was auch immer.“
    „Aber was passiert direkt nach dem Sterben mit unserem Körper?“, fragte Mike. „Man liest ja immer, dass Tote noch gereinigt werden. Aber wie funktioniert das konkret?“
    „Die Bestatter legen den Leichen Windeln an“, verriet Dr. Albers. „Sonst könnte der Darminhalt hinaus fließen. Das wäre äußerst unschön. Manchmal laufen auch noch Sekrete oder Wasser aus dem Magen. Er zersetzt sich direkt nach dem Tod. Deshalb saugen Bestatter die Flüssigkeit komplett ab. Und bei Leichen, die noch eine Magensonde oder Infusionsschläuche im Körper haben, säubern und vernähen sie die offenen Wunden. Der Mund der Toten bleibt aber offen. Sonst müsste das Kinn an den Oberkiefer angenäht werden.“
    „Wiegen Leichen eigentlich mehr als zu Lebzeiten?“, fragte Angie –  „oder ist das bloß das Gefühl, das die Bestatter beim Tragen haben?“
    „Natürlich wiegen Le ichen gleich viel“, antwortete Dr. Aracelis, die leise ins Zimmer getreten war. „Dass sie schwer zu transportieren sind, liegt daran, dass sie kein bisschen mithelfen, wenn sie bewegt oder angehoben werden. Letzteres ist übrigens eine Tätigkeit, die mit größter Vorsicht vorgenommen werden muss. Wir sind immer dabei, wenn die Bestatter die Toten in den Sarg umbetten. Wir achten darauf, dass die Leichen vor dem Anheben in ein Laken eingeschlagen werden.“
    „Dass Tote nicht an den Armen und Beinen getragen werden, hat noch zwei weitere Gründe“, verriet Dr. Albers ernst. „Erstens wäre das pietätlos, und zweitens könnte sonst die Haut einreißen.“
    „Was?“ Mit großen Augen sah Fee Dr. Albers an. Das kleine Mädchen hatte seine Mutter, die eine orangefarbene Rose in ihrer Hand hielt, ins Zimmer geschoben. Fee hatte Dr. Albers’ letzte Worte mitbekommen, sie aber nicht akustisch verstanden. „Was kann einreißen?“
    „Ich sagte gerade, es soll nicht einreißen, dass wir uns nicht richtig von lieben Menschen wie Berthold verabschieden“, entgegnete der Psychologe. „Schön, dass Ihr gekommen seid, Nadine.“
    Die junge Mutter rollte ans Bett. „Wie schön Sie sind, Berthold“, sagte sie und legte die Rose auf das Bett des Toten. „Gibt’s vielleicht etwas Musik?“
    Fragend blickte der Psychologe Barbara Pellenhorn an. „Was meinen Sie?“
    „Wir haben eine CD in der Schublade des Nachttischschranks“, antwortete die Witwe. „Mit Bertholds Lieblings-Arien.“
    Kurz darauf schwang sich Maria Callas’ Stimme in glasklare Höhen. Die Diva sang La Mamma Morta .
    „Ist das schön“, sagte Angie erschaudernd. „Wollen wir nicht anstoßen – und etwas essen?“
    „Ihre Entscheidung, Frau Pellenhorn“, sagte Dr. Albers. Der Magen der Witwe antwortete, indem er knurrte. Das heutige Abendessen hatte niemand beendet.
    „Gut“, meinte Dr. Albers. „Dorothee kann etwas servieren. Sie ist noch in der Küche.“
    Über sein Haustelefon informierte der

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