Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
Schadenfreude, die uns jemand übergestülpt hat. Inzwischen finden wir das normal. Ich möchte, dass Du dazu beiträgst, diese Glocke zu entfernen.“
„Kannst Du mir das bitte ein bisschen genauer erklären?“
„Klar. Ich dachte immer, ich sei glücklich. Doch tatsächlich habe ich nicht das aus meinem Leben gemacht, was möglich gewesen wäre.“
„Inwiefern? Wie kann man die negative Glocke denn entfernen?“, fragte Mike. „Was kann eine Einzelperson verändern?“
„Du kannst schreiben“, flüsterte sein Vater. „Du kannst den Menschen sagen, dass sie rechtzeitig umdenken und sich am Jetzt erfreuen sollen, damit sie die Wahrheit nicht erst auf dem Sterbebett erkennen.“
„Du hast leicht reden, Dad! Du musst ja nicht mehr arbeiten gehen und täglich im Stau stehen und Kinder großziehen und Dich mit Gott und der Welt und dem Stress auseinandersetzten. Entschuldige – aber Deine Einsichten kommen nicht nur ganz schön spät, sondern sie klingen auch ziemlich oberlehrerhaft.“
„Finde ich gar nicht“, sagte Mikes Vater. „Ich finde, dass sie der beste Tipp der Welt sind. Betrachte die Menschen um Dich herum mal einen Augenblick lang nicht als Lehrer und Politiker und Sicherheitsberater und Nachbarn, sondern als Säugetiere. Dann stimmst Du mir doch bestimmt zu, dass wir alle insofern gleich sind, dass wir zwei Augen, zwei Beine, zwei Arme und einen Körper haben? Außerdem treibt jeden von uns derselbe Wunsch an: Wir möchten zufrieden sein. Dazu brauchen wir Nahrung, Liebe und Gesellschaft. Aber warum bekommen das nicht alle Menschen?“
„Kommst Du mir jetzt mit einer kommunistischen Idee?“
„Nein“, flüsterte Herbert. „Ich sage nur, dass wir Menschen alle gleich sind und dass wir alle die gleichen Rechte haben sollten – vom Baby in Indien bis zum russischen Oligarchen. Wenn Du Schubladen wie kommunistisch öffnest, greifst Du wieder auf die Vergangenheit zurück, die Dir Dritte aufgedrückt haben. In Schubladen steckt die Vergangenheit. Du sollst Dich auf die Gegenwart konzentrieren! Wenn Du das nicht tust, verschwendest Du Dein Leben. Dann bleibt die Welt so, wie sie ist.“
„Tendenziell negativ?“, fragte Mike.
„Genau“, antwortete Herbert Powelz. „Tendenziell negativ. Brauchst Du dafür einen Beweis? Dann musst Du nur eine einzige, zufällige Zeitung aus einem himmelhohen Stapel herausziehen und die Top-Meldungen des Tages anschauen. Das Ergebnis unserer bisherigen Lebensweisen ist negativ. In der Vergangenheit gab es Kriege und KZ’s und Revolutionen und so weiter. In der Gegenwart gibt es wieder Kriege und Diskriminierung – plus Stress und Burnouts. Die Menschen möchten diesem Stress entfliehen, indem sie sich einen Erholungsurlaub gönnen oder aus ihren Fehlern lernen oder Stressbewältigungstechniken praktizieren oder der Burn-Out-Falle entfliehen oder es besser machen möchten oder Missstände aufdecken . Aber warum krempeln wir nicht jetzt alles um? Warum machen wir es nicht einfach jetzt gut?
„Weil es nicht einfach ist!“
„Hey! Klar ist es einfach! Unser größter Fehler ist, dass wir anderen – zum Beispiel Hilfsorganisationen und Politikern die Verantwortung dafür übertragen, dass sie stellvertretend für uns alles gut machen. Aber sie machen es nicht gut – sonst gäbe es nicht riesigen Hunger auf der einen Seite und eine Über-Absicherung in Form von Reichtum auf der anderen Seite. Wenn uns die Politiker einreden wollen, dass es uns gut ginge, weil die Menschen nie zuvor so alt geworden seien und weil es nie zuvor so wenige Kriege gegeben habe und weil die internationale Stabilität nie zuvor so stark gewesen sei, ist das eine Verschleierung der Wahrheit. Der Gegenbeweis sind die schlechten Nachrichten, die uns sekündlich überfluten! In Wirklichkeit trägt jeder von uns die Verantwortung dafür, dass alles gut wird! Du glaubst mir nicht, dass ich Recht habe? Ruf mal die Newsseite bei Google auf – und lies mir vor, was gerade in den Nachrichten geschrieben wird. Ich möchte eine Stichprobe hören.“
Mike ging ins Internet und las:
„ Warum kommt Tunesien nicht zur Ruhe?, Umfrage: Mehrheit will Schavans Rücktritt; Rassismusvorwürfe: Hahns Fauxpas bringt FDP in die Defensive; Drohnenangriffe: Tumulte bei Anhörung für neuen CIA-Chef; Mehr als 35 Tote bei Attentaten im Irak; Regierung bezweifelt Ausstiegskosten für Stuttgart 21; Dreifachmord: Ex-Polizist auf Rachefeldzug; Kirche: Kardinal Meisner beklagt Katholikenphobie; Führerlos
Weitere Kostenlose Bücher