Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
das!“, rief Frau Prinz. „Eigentlich könnte ich meine Eigentumswohnung in bester Lage schnell zu Geld machen, um meine Geldprobleme zu lösen, aber sie ist Teil eines Neubaus, in dem die Dachterrasse undicht war. Dadurch drang Wasser in die obersten Wohnungen, und zwei betroffene Nachbarn haben ihre Wohnungen neu sanieren lassen. Die immensen Kosten dafür möchten sie nun gerichtlich auf die restliche Hausgemeinschaft umlegen lassen. Ich soll mich mit bis zu 15.000 Euro beteiligen! Schauen Sie mal, was mir heute der Anwalt einer der Miteigentümer geschrieben hat: Klarstellend erlauben sich die Beklagten auch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass sie sich vorbehalten, eine etwaige Widerklage gegen die Kläger auf Zahlung der einzelnen, sich aus ihren Miteigentumsanteilen ergebenden Beträge geltend zu machen.“
„Das ist eine eindeutige Drohung“, sagte Minnie. Haben Sie den Psychologen schon mal um Hilfe gebeten?“
„Dr. Albers?“ Frau Prinz’ Stimme wurde schrill. „Das Haus weiß genau, welche Sorgen ich ausstehe. Soll ich es Ihnen mal genau vorrechnen? Ich bekomme 728 Euro Rente. Weil ich aber in Pflegestufe 1 eingestuft wurde, muss ich für Haus Holle einen Eigenanteil aufbringen. Dadurch rutsche ich ins Minus. Die fehlende Summe gleicht das Sozialamt aus, doch von meiner Rente darf ich nur 96 Euro behalten. Von diesem läppischen Rest muss ich alles bezahlen, was mir gut tut – meine Vitaminpräparate, meine Nahrungsergänzungsmittel und mein Kompaktmittel für die Knochen.“ Ihre Stimme überschlug sich. „Die Kosten dafür übernimmt niemand, weil es keine verschreibungsfähigen Medikamente sind. Dabei habe ich schon alle laufenden Kosten auf ein absolutes Minimum reduziert. Sogar mein Handy-Vertrag wurde gekündigt. Ich könnte kotzen! Wie kann es angehen, dass man krank ist, und obendrein keinen Cent mehr hat? Ich habe doch jahrelang geschuftet. Diese Ungerechtigkeit erbost mich. Und dass meine Tochter wegen der ganzen Rechnungen angeschrieben wird!“
„Andere haben auch Geldsorgen“, sagte Bella Schiffer mit unbewegter Miene. „Bei mir sind 20 Euro aus dem Nachtkasten verschwunden!“
Die Hundezüchterin schenkte ihrer Sitznachbarin kein Gehör. „So etwas macht man nur einmal mit Marisabel Prinz. Ich rappele mich immer wieder auf. Ich habe die Kraft dazu. Das weiß ich, weil ich schon einmal all meine Besitztümer verloren habe.“
Ihre Worte schwebten im Raum. Keiner der Gäste traute sich, ein Wort zu sagen. Aber die Hundezüchterin wäre ohnehin nicht mehr zu bremsen gewesen. „Sie müssen wissen, dass eine schwere Zeit hinter mir liegt. Vor zwanzig Jahren wurde schon einmal Krebs bei mir festgestellt. Damals gelang es mir noch, die Krankheit zu besiegen. Weil ich während des Kampfes gegen den Krebs nicht arbeiten konnte, bin ich bis auf das Sozialhilfeniveau abgerutscht. Kurz darauf habe ich mich vom meinem dritten Mann scheiden lassen, mich wieder hochgearbeitet, eine Eigentumswohnung verkauft, und all mein Geld in eine professionelle Hundezucht investiert. Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Geld sich damit verdienen ließ! Das Geld floss in Strömen. Zuletzt musste ich es in einem Bettkasten bunkern.“
Ein bitterer Hauch mischte sich in ihre Erinnerungen, und die Stimme der Hundezüchterin wurde etwas leiser. „Als ich fünfzig war, traf ich die vierte Liebe meines Lebens. Leider entpuppte sich dieser Mann als ein Heiratsschwindler, der mich finanziell ausbeutete. Aber das macht man – wie gesagt – nur einmal mit mir. Ich habe mir das ganze verlorene Geld mit einem Trick von diesem Mann zurückgeholt, indem ich den Geldgeier verführte und ihn nach dem Sex dazu brachte, mir einen Schuldschein zu unterschreiben.“ Triumphierend blickte Frau Prinz ihre gebannten Zuhörer an, und fuhr fort.“ Aber das Schicksal war noch immer nicht fertig mit mir. Kurz darauf musste ich einer weiteren hässlichen Wahrheit ins Angesicht sehen. Ich entlarvte meine Tochter als Drogenhändlerin. Sie handelte mit Heroin. Irgendwann zu dieser Zeit muss mein Krebs zum zweiten Mal ausgebrochen sein. Darauf verwette ich meinen Arsch. Wahrscheinlich hat der Stress mein Immunsystem damals so geschwächt, dass die Krankheit mich überrumpeln konnte.“ Die Hundezüchterin blickte ins Leere. „Trotzdem habe ich meinen Frieden gemacht mit allen, die mir schaden wollten. Offene Rechnungen gibt es nun nicht mehr. Abgesehen von diesen Forderungen.“ Sie deutete auf zwei Mahnungen.
Der
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