Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.

Titel: Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Powelz
Vom Netzwerk:
auf der Hut! Höchstwahrscheinlich verkleidet sich der Mörder mit einer Maske als Greis. Er darf nicht bemerken, dass Sie in Knut Knopinskis Vergangenheit herumstochern. Leider weiß ich nichts über Knopinskis Herkunft oder seinen Beruf. Diese Info brauchen wir unbedingt. Sie ist ein wichtiges Puzzleteil.“
    „Gebongt.“ Der Journalist reichte Minnie die Hand. „Wen soll ich als Erstes interviewen?“
    „Zuerst Professor Pellenhorn, dann Sonja Merkel“, antwortete Minnie. „Ich glaube, dass diese Gäste die beiden nächsten Abgänge sein werden, wie Bruno sagen würde.“

Drei Verhöre
     
     
    Seit der Monopoly-Partie waren drei Tage vergangen. Minnie konnte es nicht erwarten, dass Mike den Gästen Fragen stellte. Leider hatte der Zustand seines Vaters das bisher verhindert.
    Heute jedoch war ein guter Tag. Nach einer unruhigen Nacht schlief Herbert Powelz tief und fest. Der Journalist klopfte an die Tür von Zimmer 5.
    Umgehend öffnete ihm Barbara Pellenhorn. Sie bat den unangemeldeten Besucher hinein. Die Morgensonne schien in ein großes Zimmer, in dessen Zentrum Professor Pellenhorn in seinem Rollstuhl thronte.
    „Wie schön, dass Sie uns besuchen kommen!“, rief Barbara und bot Mike einen O-Saft an.
    Das Blinzeln des regungslosen Professors verriet dem Reporter, dass sich Berthold ebenfalls freute. 
    „Was verschafft uns die Ehre?“, fragte Frau Pellenhorn.
    „Wir wohnen seit Wochen im selben Haus, und kennen einander doch so wenig“, antwortete Mike wahrheitsgetreu. „Das finde ich schade. Außerdem habe ich gehört, dass es Ihrem Mann neulich nicht so gut ging. Deshalb möchte ich den Professor besuchen.“
    „Das ist nett“, entgegnete Barbara. „Ein bisschen Abwechslung tut Dir gut, stimmt’s, Berthold?“
    Die Augen des ALS-Kranken verschatteten sich. Dann blinzelte er erneut.
    „Bis vor kurzem“, fuhr seine Gattin fort, „hätte Berthold noch gut mit Ihnen sprechen können. Mittlerweile hat sich sein Zustand so sehr verschlechtert, dass wir sogar das Sprachtraining mit der Logopädin eingestellt haben.
    „Wann ist Ihr Mann eigentlich erkrankt?“ Der Journalist spürte intuitiv, dass es keinen Sinn machte, um den heißen Brei herum zu reden. Er musste direkt in die Vollen gehen, um zu testen, wie weit er sich vorwagen konnte. Aus Erfahrung wusste er, dass extrem private Fragen den Verlauf eines Gesprächs nachhaltig beeinflussten. Entweder würde Frau Pellenhorn ihm Vertrauen schenken – oder ihn hart oder höflich hinauskomplimentieren.
    „Vor anderthalb Jahren“, antwortete Barbara Pellenhorn. „Am 8. Juni. Damals brach Berthold plötzlich in der Küche zusammen. Seine Knie knickten einfach ein.“
    „Aus völlig heiterem Himmel?“
    „Im Nachhinein ist das schwer zu sagen“, entgegnete die Ehefrau gedehnt. „Ein paar Jahre zuvor war Berthold schon wegen Prostatakrebs operiert worden, und circa ein Jahr vor der ALS-Diagnose erlitt er einen Schlaganfall. Doch beides hat er gut überstanden. Dann jedoch knickten seine Knie immer öfter ein – und er stürzte sogar mehrfach. Dass der Grund dafür ALS war, erfuhren wir kurz darauf. Weil mein Mann aber nicht der Typ ist, der den Kopf in den Sand steckt, ließ er sich von den Ärzten erklären, was auf ihn zukommt – und erfuhr, dass seine Krankheit nicht heilbar ist. Nach und nach würden immer mehr Körperteile gelähmt sein. Genau so geschah es. Zuerst konnte er nicht mehr gehen, und er kam in einen Rollstuhl. Dann kroch die Lähmung in seine Hände. Zu diesem Zeitpunkt entschied Berthold, sich Haus Holle und andere Hospize anzusehen. Wir erfuhren, dass ihn die Lähmung eines Tages das Leben kosten wird, sobald die Schlucknerven gelähmt sind.“
    Zärtlich strich Barbara Pellenhorn über die Wange ihres Mannes, und Mike hatte Zeit, sich in seinem Zimmer umzusehen. Auf einem kleinen Tisch standen fünf Blumensträuße. Es waren orangefarbene, rote und weiße Rosen – direkt neben einem Hochzeitsfoto, das die Pellenhorns in jungen Jahren zeigte.
    Mikes Blick heftete sich auf das Schwarzweißbild, und Frau Pellenhorn sagte: „Das war vor 44 Jahren. Wir haben bereits Rubinhochzeit gefeiert. Was man in 44 Jahren gemeinsam erlebt, nicht wahr, Berthold?“
    Starr blickte ihr Mann nach vorn. Er konnte den Kopf nicht mehr wenden. Professor Pellenhorn gluckste und gurrte.
    „Was haben Sie alles erlebt?“ fragte Mike.
    „Als wir uns kennenlernten“, antwortete Barbara Pellenhorn, „lebten wir beide in Saarbrücken. Damals

Weitere Kostenlose Bücher