Die Flockenleserin. Ein Hospiz, 12 Menschen, ein Mörder.
angegriffen aus. Oder nehmen Sie Barbara Pellenhorn! Wie sie das durchhält mit ihrem Mann – einfach unglaublich. Meine geschiedenen Ehemänner waren immer anders. Sie bestanden auf ihrer Unabhängigkeit. Wohl auch, damit sie ihre kleinen Geheimnisse pflegen konnten. Sagen Sie nichts, ich kenne die Männer. Ich habe meine eigene Theorie über das starke Geschlecht.“
„Was denken Sie denn über uns?“
„Nun, es gibt solche und solche Männer. Die einen sind Mimosen. Völlig langweilige Typen, die mit einer Powerfrau nicht mithalten können. Sie werden schnell eifersüchtig und behindern einen wie ein Klotz am Bein. Mich konnte nie ein Mann ausbremsen. Die zweite Gruppe bilden die Macher. Sie brauchen ständig Bestätigung. Also auch nichts für uns Frauen. In einer gesunden Beziehung darf es keine Rivalität geben. Zur dritten Gruppe gehören Männer, die geistig und physisch stark sind, weil sie starke Mütter hatten. Solche Männer fürchten sich nicht vor Powerfrauen, sondern respektieren sie – und lassen ihnen die nötige Freiheit. Wer einen solchen Mann bekommt, muss vor Glück in die Hände klatschen. Ich persönlich könnte mir gut vorstellen, noch mal einen Mann zu lieben. Ich wüsste nach dem ersten Blick, ob er etwas taugt oder nicht. Aber ich würde nie mehr beschädigte Ware nehmen – etwa geschiedene Männer. Warum sind immer alle guten Männer vergeben oder schwul, Mike?“
„Zu welcher Gruppe gehörte der verstorbene Herr Knopinski?“
„Er war ein Unikat“, sagte die Hundezüchterin. „Ein despotischer, schlechter Mann mit sadistischen Wesenszügen. Seine Gattin tat mir sehr leid. Knut Knopinski schwebt bestimmt auf keiner Wolke, wo auch immer er jetzt ist.“
„Was macht Sie diesbezüglich so sicher?“
„Mir reichte ein Blick in seine Augen. Außerdem hat er mich angefeindet. Ich war ihm ein Dorn im Auge.“
„Warum?“
Marisabels Blick wurde trübe. „Weil ich es gewagt habe, seine Frau mehrmals zu besuchen, wenn er nach Hause gefahren war. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt, und sie deutete mehrmals an, sehr unter ihm gelitten zu haben. Angeblich hat er sie jahrelang auf einem Landsitz festgehalten, der einer Kaserne glich. Wobei ich den Begriff festhalten nicht wortwörtlich meine. Es ging mehr um Psychoterror.“
Fragend blickte der Journalist Marisabel an. Das reichte aus, um ihre Zunge zu lockern.
„Gertrud Knopinski war eine Masochistin. Eine schwache Frau, die einen vermeintlich starken Mann anbetete. In Wirklichkeit jedoch drückte er ihr seinen Lebensstil auf – und merzte alles aus, was sie ausmachte. Den Landsitz empfand sie als Gefängnis, mit ihr als einziger Insassin. Will man bei diesem Bild bleiben, hatte sie weder Hofgänge noch Besuchszeiten – und kannte keine Freiheiten. Er hat sie mehrmals eingeschlossen, etwa, wenn er das Haus verließ. Das Telefon stellte er vorher ab. Sie war gefangen in diesem Bunker.“
„Das hat sie Ihnen alles verraten?“
„Das und noch mehr“, triumphierte Marisabel. „Gertrud Knopinski stand ihrem Mann sexuell zu Diensten! Er muss absonderliche Neigungen gehabt haben. Ich würde ihn pervers nennen. Er mochte Fesselspiele und Knebel, und hat seiner Frau mehrmals den Rücken mit einer Peitsche zerschlagen.“
Mike konnte sich gut vorstellen, dass Knut Knopinski derartige Enthüllungen kaum gefallen haben konnten. Aber es passte zu Omis Erzählungen. „Wie ist er darauf gekommen, dass Sie das alles gewusst haben?“
Marisabel schlug sich vor die Stirn. „Weil Gertrud Knopinski ihm gebeichtet hat, dass sie mir gegenüber alles ausgeplaudert hatte. Anscheinend musste er sie nur scharf anschauen – und sie wurde sofort geständig. Jedenfalls trat er eines Abends in mein Zimmer, als ich mich gerade bettfertig gemacht hatte. Was er dann sagte, werde ich niemals vergessen.“
Mike wurde hellhörig. „Mögen Sie seine Worte wiederholen?“
„Ungern“, sagte Marisabel. Die Stimme der Hundezüchterin zitterte. Dann riss sie sich am Riemen. „Knut Knopinski betrat mein Zimmer und sagte: Lassen Sie meine Frau in Ruhe. Sonst passiert etwas . Aber die Art, wie er das etwas betonte – und mich dabei ansah – verriet mir, dass er es ernst meinte. Ich fühlte mich extrem bedroht. Ich fürchtete sogar um mein Leben. Er war ein abgrundtief schlechter Mensch.“
Mike verstand die Furcht der Hundezüchterin. „Warum haben Sie die Hospizleitung nicht informiert?“
„Weil mich niemand verstanden hätte! Für den
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