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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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wird sie die Reise besser überstehen.« Er reichte mir seinen Arm. »Lasst uns nun zum Essen gehen. Madame Saint-Tères Lammbraten ist ein Wunder.«
    Nach einem üppigen Diner nahmen Lucrezia und ich Abschied. In unsere Umhänge gewickelt, kehrten wir schweigend zum Lager zurück. Nachdem mir Lucrezia bei der Abendtoilette geholfen hatte, lag ich lange wach im Bett. Während ich beobachtete, wie das Mondlicht über die Decke glitt, beschlich mich das unheimliche Gefühl, dass Nostradamus und ich einander nie wiedersehen würden und die Karte sein letztes Geschenk an mich gewesen war – ein Wegweiser für eine Zukunft, die ich beeinflussen konnte.
    Ich schlief ein. Und ich träumte.
    Ich laufe durch einen Steinkorridor. In der Ferne läutet eine Glocke. Ich bin schweißgebadet. Es ist heiß – das reinste Fegefeuer. Um mich herum rennen noch andere, verängstigte schemenhafte Gestalten. Angst lässt mir das Blut stocken; ich weiß, dass hier et was Grässliches passiert, etwas, dem ich nicht entrinnen kann. Ein Schrei gellt durch die Nacht. Ein zweiter folgt und noch mehr, einer qualvoller als der andere. Schritte poltern. Ich stolpere und wäre fast gestürzt. Mit den Armen rudernd, pralle ich mit den Händen gegen eine nasse Wand. Der Boden ist schlüpfrig. Ich blicke hinab und erkenne, dass die Bodenplatten mit Blut bedeckt sind. Blut hat auch die Mauern vollgespritzt, von denen es in tropfenden Schlieren herabrinnt – Blut, überall Blut! Ich höre einen neuen verzweifelten Schrei. »Nein, nicht ihn!« Erst dann merke ich, dass das meine Stimme ist …
    Keuchend fuhr ich hoch. Ich war in schweißnasse Laken gewickelt. Die Nacht war ruhig, zu Stille erstarrt, doch ich spürte ein Vibrieren in der Luft, als kämpfte etwas darum, eine – wenn auch nebelhafte – Gestalt annehmen zu können.
    Lucrezia erhob sich von ihrer Liege. »Hoheit, seid Ihr krank? Soll ich nach einem Arzt rufen?«
    »Nein. Ich hatte einen Traum … einen grässlichen Albtraum. « Ich erzählte ihr, was ich gesehen hatte. »Er war so wirklich. Ich kann immer noch das Blut unter meinen Füßen spüren. Ich habe versucht, jemandem das Leben zu retten.«
    Sie blickte mir in die Augen. »Wisst Ihr, wem?«
    Ich erstarrte. Am Abend vor dem Unfall meines Gemahls hatte ich den Tod eines Menschen vorhergesehen, nur hatte ich nicht gewusst, dass er ausgerechnet ihn ereilen würde. Der Traum von heute barg die gleiche Möglichkeit, nein, die gleiche unerbittliche Gewissheit. Ich erwiderte Lucrezias Blick. »Ich weiß nicht, wer, aber ich glaube, dass es Navarra war.«
    »Der Sohn der hugenottischen Königin?« Sie verdrehte die Augen. »Ihr wisst, dass sie ihn mit Adleraugen überwacht. Man kann ihn gar nicht retten, egal, wovor, weil sie immer um ihn herum ist. Schlaft wieder ein. Ihr seid müde, und wir haben bei diesem Seher zu viel gegessen. Außerdem beunruhigt es Euch, dass Ihr nicht wisst, ob Philipp von Spanien Euch einen Besuch bei Eurer Tochter ermöglichen wird. Jetzt haben Euch Eure Nerven einen Streich gespielt.«
    »Ja«, murmelte ich. »So muss es gewesen sein. Ich bin einfach überanstrengt, sonst nichts.«
    Sie ging zu ihrem Lager zurück. Auch ich schlüpfte bis zum Hals unter meine Decken. Doch ich konnte nicht mehr einschlafen und erlebte ein ums andere Mal den Traum im Geiste nach. Obwohl ich mir sagte, ich müsse unbedingt noch einmal Nostradamus fragen, wusste ich bereits, dass ich das nicht tun würde. Er hatte mir mitgeteilt, was er wusste, und ich brauchte mir nicht noch einmal von ihm bestätigen zu lassen, dass ich den jungen Henri von Navarra irgendwie an meinen Hof holen musste.

    Tagelang ging mir der Traum nicht aus dem Kopf. Immerhin schrieb ich sogleich an Königin Jeanne von Navarra, doch meine Briefe brachten nichts ein. Sie weigerte sich, ihr Kind zu mir zu schicken. Zur Begründung erinnerte sie mich an meine Absicht, König Philipp von Spanien zu treffen, dessen Verfolgung der Protestanten sie als »infame Schandtat« bezeichnete. Sie ging sogar so weit, mich wissen zu lassen, dass ich Admiral Coligny nach le Balafrés Ermordung trotz seines Freispruchs hätte fallen lassen, was mir bei den Hugenotten den Beinamen Madame Schlange eingebracht hätte. Kurz, sie würde mir nie das Wohlergehen ihres Erben anvertrauen, ungeachtet der Tatsache, dass er in der Reihe der Thronfolger nach meinen Söhnen an oberster Stelle stand.
    Ihre Beleidigungen machten mich wütend. Verschanzt in ihrer Bergzitadelle, weit entfernt von

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