Die florentinische Prinzessin
kastanienbraunen Locken hervorquollen. Als ich sie, vom Laufen völlig außer Atem, erreichte, bemerkte ich ihre tief umschatteten Augen, den angespannten Mund und die hohlen Wangen, als litte sie an einer Krankheit.
Der Mann an ihrer Seite betrachtete mich mit ausdrucksloser Miene. Seine Haut glich glatt poliertem Elfenbein, und seinen vorspringenden Kiefer bedeckte ein silberblonder Bart. Dieses Kinn kannte ich gut. Zahllose Male hatte ich es auf Porträts gesehen, die die kaiserlichen Habsburger uns an den Hof geschickt hatten. Die Beine wurden mir schwach, als ich unbeholfen die Knie beugte. Auf diese Situation war ich überhaupt nicht vorbereitet.
Elisabeth sagte: »Mutter, darf ich Euch Seine Majestät König Philipp den Zweiten, meinen Gemahl, vorstellen?«
Philipp neigte den Kopf. »Madame de Medici, sehr erfreut. « Er sprach seinen Gruß in vollkommen neutralem Ton aus. Als unsere Blicke sich kreuzten, bemerkte ich im Schatten seiner Hutkrempe kalte blassgraue Augen.
Elisabeth ließ Charles’ Umarmung und die zweifelnden Blicke von Henri und Margot über sich ergehen. Als sie uns verlassen hatte, waren sie noch klein gewesen, und jetzt schien diese zurückhaltende Fremde sie zu verwirren.
Nach der Begrüßung gab es ein Festmahl im Freien. Während des Essens versuchte ich Philipps Verhalten abzuschätzen; mir entging nicht, wie er mit seinen spinnenartigen Fingern sich ungeduldig auf den Schenkel klopfte, wann immer ihm ein neuer Gang serviert wurde, erst gebratener Fasan, dann Wild und schließlich Ente. Er aß sehr spärlich, ohne je erkennen zu lassen, ob ihm das, was er kostete, überhaupt schmeckte.
Der ganze Hof starrte ihn an. Nun hatten wir tatsächlich den gefürchteten König von Spanien vor uns, eine Legende unter den Katholiken. Und was sahen wir? Einen genügsamen Mann sowohl hinsichtlich der Sprache als auch der äußeren Erscheinung, noch viel kleiner, als er es in meiner Vorstellung gewesen war, mit zierlichen Händen und von fast schon jungfernhafter Schüchternheit, als wäre er öffentliche Aufmerksamkeit kaum gewöhnt. Dennoch fiel mir auf, dass sein Blick immer wieder wie der eines Raubvogels auf Elisabeth fiel, und mich beschlich das beunruhigende Gefühl, dass er nicht nur wegen des Familientreffens gekommen war, sondern aus einem ganz anderen Grund.
Zwar wusste ich, dass es spanischen Gebräuchen entsprach, wenn die Königin vor der Öffentlichkeit kein Wort von sich gab, doch der stumpfe, teilnahmslose Ausdruck in den Augen meiner Tochter gefiel mir ganz und gar nicht. Nichts von dem Geschehen um sie herum schien sie zu berühren. Überhaupt blieb unsere Konversation unpersönlich, ohne jede Vertrautheit.
Im Laufe der Festlichkeiten gab es jeden Abend ein großes Festmahl mitsamt Schaupiel oder Musikdarbietungen und tagsüber eine Jagd oder eine Flussfahrt. Und schließlich gelang es mir, Zeit für Elisabeth und mich allein zu finden, als meine Söhne und die übrigen Herren vom Hofstaat Philipp und dessen Gefolge zur Beizjagd einluden.
Ich rief Elisabeth zu mir in den Prunkgang des für uns beschlagnahmten Schlosses mit seinen Erkerfenstern, die zum Fluss hinausführten. Hinter uns schleppten sich unsere Hofdamen mitsamt Hunden und Margot dahin, die mit mir schmollte, weil ich ihr nicht erlaubt hatte, am blutrünstigen Zeitvertreib der Männer teilzunehmen.
Bevor ich dazu kam, mich bei Elisabeth nach ihrer Gesundheit zu erkundigen, erklärte sie ohne Umschweife: »Mein Gemahl verlangt, dass sämtliche Toleranzedikte außer Kraft gesetzt werden und der Katholizismus zum einzigen und wahren Glauben in Frankreich erhoben wird. Wer konvertieren will, muss erst um Gnade flehen. Tut er das nicht, muss er sterben.«
Abrupt blieb ich stehen und musterte sie konsterniert. »Warum hat er mir das nicht selbst gesagt? Schließlich ist er seit Wochen hier und speist jeden Tag an meiner Tafel. Handelst du als seine Botschafterin?«
»Ich bin seine Gemahlin und Königin. Es ist meine Pflicht, mit Euch zu sprechen.«
»Und darum maßt du dir an, mir, deiner Mutter, Ratschläge zu erteilen, wie ich mein Reich regieren soll?«
»Es ist nicht Euer Reich. Mein Bruder Charles ist der König von Frankreich.«
Ich wedelte mit der Hand, woraufhin Lucrezia sofort Margot und alle anderen außer Hörweite scheuchte. Ich ließ noch einen langen Moment verstreichen, ehe ich erklärte: »Seit du uns verlassen hast, habe ich mich jeden Tag auf unser Wiedersehen gefreut. Jetzt schmerzt mich der
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