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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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machte mir nichts vor; er hatte mich zu einem bestimmten Zweck herbestellt.
    »Nun?«, meinte er brüsk. »Hast du nichts zu sagen?«
    »Ich würde sagen«, entgegnete ich, »dass ich mich geehrt fühle.«
    Er lachte auf. »So spricht eine Medici!« Es war, als hätte er die Reißzähne gebleckt. Unter meinem Kleid wurden mir die Knie weich. Clemens’ Blick glitt über mich. »Du hast den Wert einer neutralen Antwort erlernt. Das ist ein Vorzug, der deine Ehe umso weniger betrüblich gestalten wird.«
    Das Blut gefror mir in den Adern. Ich dachte, ich hätte mich verhört.
    »Es wird Zeit, dass du deinen Platz in der Welt einnimmst«, fuhr er fort, während er in seine Orange biss und blasser Saft auf seinen Ärmel spritzte. »Tatsächlich sind die Verhandlungen schon so gut wie abgeschlossen. Als Teil deiner Mitgift werde ich das Herzogtum Mailand bieten, sobald die Hochzeit stattfindet.« Er blickte auf. »Wer weiß? Eines Tages könntest du Königin von Frankreich sein.«
    Ein Brausen wie Sturmgeheul erfüllte meine Ohren. Hier war seine Rache, zu guter Letzt. Hier war sein Dolchstoß für Karl V.: eine Allianz mit des Kaisers Rivalen François I. – und ich sollte als Einsatz dafür herhalten. Mich mit Frankreich zu vermählen würde Karls Bestrebungen vereiteln, sich Italien zu unterwerfen, da das lang umkämpfte Herzogtum Mailand, das gegenwärtig in kaiserlicher Hand war, dann an François fallen würde.
    »Aber König François ist doch schon verheiratet«, wandte ich ein, »mit der Schwester des Kaisers.«
    »Ganz recht. Aber sein zweiter Sohn, Henri d’Orléans, ist noch ledig und könnte eines Tages Thronerbe sein. Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass François’ Ältester, der dauphin , recht kränklich sein soll.«
    Er begann, eine neue Orange zu schälen; seine langen Spinnenfinger gruben sich in die Schale. »Ich nehme an, dein Schweigen hat kein Missvergnügen zu bedeuten«, setzte er hinzu. »Ich habe weder Kosten noch Aufwand gescheut, um dich hierherzubringen. Das Letzte, was ich brauchen kann, ist eine widerstrebende Braut.«
    Was konnte ich noch sagen? Er hatte das Recht, mich zu schicken, wohin er wollte. Nichts, was ich tun konnte, außer mich umzubringen, würde mich je befreien, und die kalte Endgültigkeit dieser Tatsache machte meine Stimme rau.
    »Wenn es Euer Wunsch ist«, sagte ich, »dann soll es mir eine Freude sein. Darf ich dafür um eine Gunst bitten? Ich möchte zurück nach Florenz. Es ist meine Heimat, und ich …« Meine Stimme bebte. »Ich möchte Abschied nehmen.«
    Sein Blick wurde kalt. »Nun gut«, sagte er. »Wenn dir Rom nicht länger angenehm ist, werde ich dir eine Eskorte zuweisen. « Er streckte eine beringte Hand aus, und als ich sie küsste, hörte ich ihn murmeln: »Die Liebe ist ein trügerisches Gefühl. Du wirst besser ohne sie auskommen. Das haben wir Medici immer getan.«
    Ich bewegte mich rückwärts zur Tür, während er eine weitere Orange schälte, die Mundwinkel zu einem selbstgefälligen Schmunzeln verzogen.

    In der duftenden Sommerhitze kehrte ich zurück nach Florenz, begleitet von Leibwächtern und meinen Frauen, auch Lucrezia und einer neuen Gespielin, meiner Zwergin Anna-Maria – ein vierzehnjähriges Miniaturmädchen, deren kurze Gliedmaßen nicht von ihrer prächtigen aschblonden Mähne und vorwitzigen Schnute ablenkten. Ich mochte sie vom ersten Augenblick an; Papa Clemens hatte ganz Italien nach ihr abgesucht; er bestand darauf, dass ich in Frankreich meine eigene Hofnärrin haben müsste, doch ich beschloss, sie nicht mit einer Narrenkappe zu erniedrigen. Stattdessen betraute ich sie mit der Aufgabe, meine Wäsche in Ordnung zu halten, eine Vorzugsstellung in meinen Privatgemächern.
    Im Palazzo der Familie fand ich wenig verändert. Florenz trug noch die Wunden, die zu heilen es Jahre brauchen würde, aber unser Heim war unversehrt, still wie ein prunkvolles Grab. Ich ließ mich in den Räumen meiner geliebten verstorbenen Tante nieder, wo den Leintüchern noch ihr Duft anhaftete und auf ihrem Schreibtisch mit den Alabaster-Intarsien noch ihre Schreibutensilien lagen, als könnte sie jeden Moment hereinkommen.
    Und dort entdeckte ich mein silberbeschlagenes Elfenbeinkästchen, in einer Schublade unter unvollendeten Briefen. Ich drückte es an die Brust und strich über den verbeulten Deckel. Als sie es zwischen ihren Sachen verbarg, hatte meine Tante gewusst, dass ich es irgendwann holen würde.
    Ich ließ den Deckel aufschnappen;

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