Die florentinische Prinzessin
meinen Knochen Ruhe gönnen konnte!
Cosimo hob die tief eingesunkenen Augen zu mir. »Ich sehe nur die Hochzeit mit der Österreicherin.«
Mittlerweile in den Vierzigern, wirkte er ausgemergelt, bewegte sich mit dem schlurfenden Gang eines Hermiten und hatte sich ein irritierendes Zucken angewöhnt, bei dem er die linke Schulter nach oben zog und gleichzeitig die Wange bebte. Das Herrenhaus erweckte einen verlassenen Eindruck. In all den Zimmern und Sälen waren die Fensterläden geschlossen, und das Personal, das ich für ihn eingestellt hatte, war entlassen worden. Der Gestank nach Schimmel war derart penetrant, dass Lucrezia in sämtlichen Kaminen Feuer geschürt und den Staub von den Simsen gewischt hatte, wohingegen ich sogleich die Treppe zur Sternwarte erklommen hatte, wo Cosimo offenbar Tag und Nacht verbrachte.
»Cosimo«, sagte ich, darum bemüht, meine Ungeduld zu zügeln. »Nostradamus hat gemeint, die Karte würde zehn Jahre meiner Zukunft enthalten; er hat mir gesagt, ich müsse Navarra schützen. Über die Österreicherin weiß ich schon Bescheid. Kannst du keine anderen Hochzeiten erkennen?«
Ich blickte auf die Karte, in der es von einander kreuzenden farbigen Linien und Darstellungen von Planeten nur so wimmelte, aus denen ich im ganzen Leben nicht schlau geworden wäre. Zugleich drängte sich mir der unerwünschte Gedanke auf, dass ich in dieser Angelegenheit nicht unbedingt Cosimos Urteil trauen sollte. Besaß er denn überhaupt irgendeine wirkliche Macht, die über die Interpretation vager Vorzeichen und die Berechnung angemessener Zeitpunkte für Krönungen hinausging, oder klammerte er sich an rein zufällig auftretende Momente der Hellsichtigkeit, in denen es ihm gelang, den Schleier zwischen dieser und der nächsten Welt zu durchdringen? Nachdem ich Nostradamus erlebt hatte, empfand ich Cosimos Gebaren als befremdlich, als versuchte er lediglich, die Rolle des geheimnisvollen Weisen so zu spielen, wie er sie sich eben vorstellte.
Er rümpfte die Nase. »Die Karte ist kaum verständlich. Offenbar hat Nostradamus nicht in Italien studiert.«
»Natürlich nicht. Erkennst du wenigstens Margots Sternzeichen? Sie ist ein Stier.«
»Lasst mich sehen.« Er verfolgte eine Linie mit dem Finger. »Ja, ihr Lebensweg zieht sich durch diesen Quadranten.« Er tippte auf den Bogen. »Gemäß dieser Darstellung wird sie einen Schützen heiraten.«
Ich schnappte nach Luft. »Henri von Navarra ist Schütze!«
Seine Wange zuckte. »Ich sprach von einem Durchzug, nicht von einer Verbindung. Und eine Verdunkelung hier im Zeichen des Skorpions kündigt Zerstörung an.«
»Zerstörung?« Mir stockte der Atem. »Was bedeutet das?«
»Das ist unklar.« Er schürzte die Lippen. »Wie ich gesagt habe, diese Karte wurde von jemandem entworfen, der sich mit solchen Dingen nicht auskennt. Vielleicht kann ich Euch eher eine Hilfe sein, wenn Ihr mir sagt, was Ihr wissen möchtet. «
Ich holte tief Luft. Vielleicht erklärte ich ihm doch besser alles, sonst verbrachten wir noch die ganze Nacht hier oben. »Ich will wissen, ob ich eine Ehe zwischen Margot und Navarra arrangieren soll. Ich muss eine Möglichkeit finden, die Katholiken und die Hugenotten friedlich aneinanderzubinden, und eine solche Ehe könnte meiner Meinung nach dazu dienen.«
Cosimo musterte mich, während seine skelettartige Hand unablässig den eigenartigen Anhänger an seiner Brust streichelte. Das Stück war mir schon bei meiner Ankunft aufgefallen – ein silbernes Amulett mit der Darstellung eines Tiers mit einem Horn, in dessen Mitte ein Loch gebohrt worden war.
»Ihr könnt Margot mit diesem Prinzen verheiraten«, sagte er, »aber das wird nicht ohne Weiteres zu Frieden führen.«
»Das natürlich nicht. Mir ist sehr wohl bewusst, dass eine einzige Hochzeit nicht alle Probleme lösen wird. Aber wenn ich sie tatsächlich bewerkstelligen kann, werden die Hugenotten zumindest auf absehbare Zeit gezwungen sein, ihre Waffen niederzulegen. Navarra wird dann einer von uns sein, und sie werden keinen Prinzen mehr haben, der ihre Sache unterstützt. Mir fehlt nur noch Colignys und Jeannes Zustimmung. «
»Glaubt Ihr denn, dass sie sie Euch geben werden?«, f ragte er.
»Lieber würden sie sterben!«, schnaubte ich.
»Dann sollten sie das vielleicht auch.«
Er ging zu einer Vitrine hinüber und zog aus einem Fach eine rechteckige Schachtel heraus. Damit kehrte er zu mir zurück und legte sie vor mich hin. Sie enthielt zwei wie Leichen auf
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