Die florentinische Prinzessin
wissen.
»Nein«, erklärte sie in ihrem mit österreichischem Akzent durchsetzten Französisch. »Ich muss heiraten wie geplant. Dann gebäre ich einen Sohn.«
Sie wirkte selbstbewusst. Aufmerksam verfolgte ich, wie sie, die blonden Augenbrauen kritisch gefurcht, ihr Spiegelbild ohne jede Eitelkeit betrachtete, während sie die Krone auf ihrem dunkelblonden Haar zurechtrückte. So attraktiv wie auf ihrem Porträt war sie nicht. Ihr ovales Gesicht wurde durch das vorstehende Habsburger Kinn beeinträchtigt, und ihre blauen Augen waren zu klein und zu ernst. Wenn sie Angst hatte oder sich überfordert fühlte, ließ sie sich das nicht anmerken. Hätte ich nur nach ihrer Miene geurteilt, hätte ich angenommen, sie schicke sich an, zu einer ihrer drei täglichen Messen zu gehen.
Margot, die einen bis an die Grenze der Schicklichkeit ausgeschnittenen, schimmernden karmesinroten Brokat trug und sich das Haar mit juwelenbesetzten Kämmen geschmückt hatte, schlug die Hand vor den Mund und rief in gespielter Überraschung: »Ach, du siehst ja hübsch aus!«
Ich bedachte sie mit einem eisigen Blick. Mit ihren achtzehn Jahren hatte meine Tochter die letzten Reste der Kindheit abgelegt und sich zu einer aufsehenerregenden Schönheit entwickelt. Ihre leicht schrägen Augen schienen sämtliche Farben, die sie an ihrem Körper trug, in sich aufzunehmen, und um ihr rotblondes Haar beneidete jede Frau sie am Hof. Sie war unsere offizielle Muse geworden, der die Poeten ganze Stöße von Gedichten widmeten. Mir war mittlerweile ein lüsternes Funkeln in ihren Augen aufgefallen, wenn die Herren im Prunksaal an ihr vorbeistolzierten, die muskelbepackten Schenkel in hautengen Strumpfhosen, deren übergroßer Latz aufreizend wippte. Mir gefiel das überhaupt nicht. Margot musste unbedingt Jungfrau bleiben. Aus diesem Grund achtete ich streng darauf, dass sie auf Schritt und Tritt von ihren Hofdamen begleitet wurde. Darüber hinaus ließ ich mir regelmäßig über ihre Unternehmungen Bericht erstatten und wusste darum, dass sie sich pflichtbewusst in der Tanzkunst, im Musizieren und Dichten übte, geduldig für Porträts und Kleiderproben Modell saß – kurz: all das tat, was von einer Prinzessin erwartet wurde. Dennoch erinnerte mich ihre Leidenschaft für das Leben an ihren Großvater François I., was meine Befürchtung nährte, dass sie trotz meiner Bemühungen eine Möglichkeit finden könnte, ihren Appetit zu befriedigen. Dafür fehlte mir allerdings noch jeder Beweis.
»Dieses Kleid« – Isabell zupfte an ihrem Überrock –, »ist es nicht … wie sagt man … zu reich?«
Margot kicherte. Meine andere Tochter, Claude, die mit ihrem zweiten Kind hochschwanger war und ein violettes Samtkleid trug, stieß ihr den Ellbogen in die Seite.
»Er ist herrlich.« Ich strich ihr den mit Perlen in Form von Lilien bestickten, silbernen Stoff glatt. »Er passt gut zu deinem Teint. Du hast eine wunderbare Haut. Findest du nicht auch, Margot?«
Margot verzog herablassend den Mund. »Wahrscheinlich«, säuselte sie und trat zum Frisiertisch, um Isabells Schmuck zu inspizieren. »Oh! Die sind aber reizend!« Sie schnappte sich zwei Rubinohrringe. »Sieh nur, wie gut sie zu meinem Kleid passen! Rot steht mir am besten. Das sagen alle.«
»Nimm sie«, bot ihr Isabell an, bevor ich protestieren konnte.
Margot nahm ihre eigenen Ohrringe aus Opal ab und steckte sich die Rubine an. Während sie sich im Spiegel bewunderte, schoss es mir in den Sinn, dass der Unterschied zwischen ihrer narzisstischen Selbstverliebtheit und Isabells Gleichgültigkeit kaum deutlicher zum Ausdruck hätte kommen können. Und als hätte es mir ein kleiner Teufel ins Ohr geflüstert, stand für mich schlagartig fest, dass ein bestimmter Verehrer Margot eingeredet hatte, sie solle Rot tragen.
»Willst du dich nicht bei ihr bedanken?«, mahnte ich Margot, woraufhin sie sich bequemte, Isabell zu küssen. »Danke, liebste Schwester. Sie gefallen mir über alles!«
Während sie zu Claude tänzelte, um ihr ihre Trophäen vorzuführen, beugte ich mich neben Isabell hinab und wischte einen Fleck vom Saum ihres Kleides, den Margots Hausschuh dort hinterlassen hatte. Unversehens berührte mich die junge Frau an der Schulter. Ich sah fragend auf. »Das ist nicht wichtig«, meinte sie. »Niemand sieht bei einer Braut Schmutz, ja?«
Mit diesen Worten eroberte sie mein Herz, zeugten sie doch von gesundem Menschenverstand, den sie ihr Dasein als Ware auf dem Heiratsmarkt für
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