Die florentinische Prinzessin
konnte sie es wagen, in ihrer hugenottischen Trauerkleidung vor mir zu sitzen und mich zu beschuldigen, obwohl doch sie es war, die unsere Feinde gegen uns aufgehetzt hatte? Ich baute mich vor ihr auf. In diesem Moment war es mir gleichgültig, ob sie der Hochzeit zustimmte oder vor meinen Augen tot umfiel. Sie wich bis an die Stuhllehne zurück.
Ich zügelte mich. Dass sie zurückweichen oder sich an ihre Röcke klammern würde, hatte ich nicht erwartet. Als wir einander anstarrten und ich sah, wie sehr sich ihre Augen geweitet hatten, wurde mir klar, dass sie Angst hatte. Angst vor mir. Sie glaubte tatsächlich, dass ich das Ungeheuer war, als das ich auf den Pamphleten der Hugenotten dargestellt wurde. Sie hatte die Andeutungen und Gerüchte ernst genommen, obwohl sie genau wusste, was es bedeutete, als Frau, die Kinder und ein Reich zu schützen hatte, auf sich allein gestellt zu sein.
Mein Humor gewann wieder die Oberhand. Ich schmunzelte. »Schön, nun habt Ihr mich gesehen. Sehe ich so böse aus, wie behauptet wird?«
»Die Tatsache, dass Ihr Euch darüber lustig macht, bestätigt alles.«
»Denkt von mir aus, was Ihr wollt! Mir ist das gleichgültig. Ich biete Eurem Sohn eine königliche Braut und Eurem Reich den Schutz vor Spanien. Niemand sonst wird Euch je so viel geben.«
Sie musterte mich schweigend. Unvermittelt reckte sie das Kinn vor. »Ihr könnt mich nicht beeinflussen. Ich werde meinen Sohn nicht hierherrufen noch Euch eine Zusage erteilen, es sei denn, mir wird gestattet, mit Eurer Tochter zu sprechen – und zwar unter vier Augen.«
Ich überlegte. Konnte ich Margot trauen? Jetzt bereute ich die Stunde, in der ich meine Pläne vor ihr ausgebreitet hatte, denn nun musste ich mich auf sie verlassen. Jeanne würde nicht nachgeben. Sie würde ihrem Sohn nur weitere düstere Warnungen schicken, und er würde sich in ihrer Burg verbarrikadieren. Meine Hoffnungen, den Streit zwischen den Konfessionen zu beenden, würden zerplatzen. Wieder würde ein Krieg ausbrechen, und erneut würde ich ein Reich führen, das sich selbst zerfleischte.
Es sei denn … Heimlich wie eine Katze schlich sich der Gedanke in mein Bewusstsein hinein. Cosimos Geschenk …
»Schön«, antwortete ich Jeanne, »ich schicke Margot heute Nachmittag zu Euch.«
Damit ging ich in mein Gemach hinunter. Als Erstes verriegelte ich die Tür hinter mir, dann nahm ich die Schachtel aus dem verborgenen, in die Wand eingelassenen Tresor und klappte den Deckel auf. Die zwei Puppen ruhten noch auf ihrem samtenen Bett. Ihr müsst ihnen zunächst eine Identität ver leihen, indem Ihr einen der jeweiligen Person gehörenden Gegen stand an ihnen befestigt .
Alles, was ich brauchte, war eine Haarsträhne von Margot.
Obwohl sie mir grollte und in melancholischer Rastlosigkeit durch den Palast wanderte, war Margot mit ihrem von den Tagen im Garten gebräunten Gesicht und der von der Sonne ausgebleichten Lockenpracht der Inbegriff von Gesundheit.
»Du siehst wunderschön aus«, schwärmte ich, doch ihre türkisgrünen Augen verengten sich nur, als ich ein verirrtes Löckchen oberhalb ihrer Schulter zwischen zwei Finger nahm. »Vergiss bitte nicht, ihre Fragen zu beantworten, aber verrate dabei nicht zu viel. Wir dürfen sie nicht zu sehr belasten.« Ich umfasste ihr Kinn. »Hast du das verstanden?«
Sie zog eine finstere Miene. »Ich werde die perfekte Schwiegertochter sein und so wenig wie möglich sagen.«
»Sehr gut.« Ich schob sie zur Treppe. »Ich warte in meiner Arbeitsstube auf dich.« Als sie ihre Röcke raffte, um die Treppe zu erklimmen, bekam ich noch einmal ein vereinzeltes Haar von ihr zu fassen.
In meinem Gemach zog ich die Vorhänge vor den Fenstern zu und platzierte zwei Kerzen und die Puppe auf dem Pult. Als ich dann aber davorstand und mich anschickte, eine Haarsträhne meiner Tochter um eine Wachspuppe zu wickeln, kam ich mir lächerlich vor. Glaubte ich wirklich, einem Menschen auf solche Weise meinen Willen aufzwingen zu können? Ich gab mir einen Ruck und nahm die Puppe in die Hand. Doch beim Anzünden der Kerzen zögerte ich. Wie weiter? Ich hatte die Nadeln. Sollte ich eine in die Puppe stecken, um so meinen Willen durchzusetzen? Nein, das konnte Margot womöglich verletzen. Ich sah sie förmlich vor mir, wie sie mit Jeanne sprach und plötzlich vor Schmerzen aufschrie.
Was, wenn ich kniete? Wäre das Frevel? Wahrscheinlich. Also lieber nicht.
Ich hielt die Hände über die Kerzen. Mit geschlossenen Augen
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