Die florentinische Prinzessin
einander in die Augen. Meine Unruhe wuchs, denn nichts an ihr gab mir zu erkennen, dass ich sie überzeugt hatte. Schlimmer noch, sie starrte mich an, als sähe sie mich zum ersten Mal und wäre von der Person ihr gegenüber nicht sehr erbaut. Leise sagte sie: »Nun gut, ich werde tun, worum Ihr mich bittet. Aber Ihr könnt mich nicht zwingen, ihn zu lieben.«
»Du wirst ohne Liebe besser auskommen. Das haben wir Medici immer getan.« Kaum war mir diese Bemerkung herausgerutscht, bereute ich sie auch schon. Ich hatte mir Papa Clemens’ Satz aufs Wort gemerkt und zu genau demselben abscheulichen Zweck verwendet. Ich sah Margot zusammenzucken und einen halben Schritt zurückweichen. Es drängte mich, sie zu trösten, die grausame Realität dessen, was ich soeben geäußert hatte, abzumildern. Doch das konnte ich nicht. Weder wollte ich lügen noch so tun, als wäre die Aufgabe, die ich ihr gestellt hatte, kein Akt der Unterwerfung, der womöglich den Verlust all ihrer Träume bedeuten würde.
»Du solltest deine Sachen für Chenonceau packen«, murmelte ich, woraufhin sie sich mit einem Knicks abwandte und davonstolzierte. Ich blieb mit einem entsetzlichen Gefühl auf meinem Stuhl zurück.
In dieser Nacht warf ich mich stundenlang in meinem Bett hin und her.
Ich liebte Margot. Von all meinen Kindern waren sie und Henri die intelligentesten, diejenigen, in denen sich die Anlagen der Familien Medici und Valois aufs Vorteilhafteste vereinigten. Warum verdammte ich sie nun zu einer Verbindung ohne Liebe, obwohl ich genau wusste, welches Elend das mit sich brachte? Hatten mich die zurückliegenden Jahre des Krieges, des unablässigen Kämpfens derart verhärtet, dass ich ihr Glück bedenkenlos opferte? Vielleicht war diese Ehe doch nicht Teil der Vorsehung. Ich konnte sie immer noch verhindern. Dazu brauchte ich nur zu Charles zu gehen und …
Ein scharfes Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Ich warf einen Blick auf die Kerze. Die in ihre Seite gekerbten Zeitzeichen hatten sich in einer Lache aus geschmolzenem Wachs aufgelöst. Für Besuch war es doch eigentlich zu spät … Dann erkannte ich Lucrezias Stimme. »Euer Gnaden, Margots Kammerfrau ist da. Sie sagt, dass Ihre Hoheit in Gefahr ist.«
Ich humpelte durch die dunklen Gänge des Westflügels des Louvre, den ich für Restaurierungsarbeiten hatte schließen lassen. Ich keuchte heftig, und die Ischiasschmerzen zogen sich bis ins Bein hinunter, als Lucrezia und ich eine offene Tür erreichten.
» Putain! «, brüllte eine Stimme. »Dafür ziehe ich dir die Haut bei lebendigem Leib ab!«
Das Knallen einer Peitsche ließ mich meine Schmerzen vergessen. Ich betrat das Gemach. Margot kauerte vor einer Truhe; ihr scharlachrotes Mieder hing in Fetzen herab; die verletzten Arme hielt sie sich schützend vors Gesicht. Charles stand mit einer Jagdpeitsche vor ihr. Vor dem verdunkelten Fenster presste Henri keinem anderen als dem jungen Guise einen Dolch an die Kehle. Dessen blaue Augen sprangen den meinen schier entgegen, als mein Sohn ihm die Klinge über die Haut zog, sodass Blutstropfen über den kräftigen weißen Hals rannen.
»Soll ich es tun?«, zischte Henri. »Ein Guise weniger bedeutet mir nichts.«
»Nein!«, rief Margot. »Lasst ihn! Er kann nichts dafür! Ich habe ihn gebeten, mich hier zu treffen!«
Erst jetzt bemerkte ich, dass sie und Guise schon wieder Rot trugen. Schlagartig begriff ich mit einer Gewissheit, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ, dass Margot seine Geliebte war, und zwar schon seit Monaten. Da lag es auf der Hand, welche Farbe sie wählten – ein Bekenntnis, das mir nie hätte entgehen dürfen.
Wieder ließ Charles die Peitsche knallen, auf Margots Schultern diesmal. Ihr Heulen verlieh mir Flügel. Ich stürzte vor und entwand Charles die Peitsche. Knurrend wie einer seiner Hunde wirbelte er zu mir herum, in den Augen ein dämonisches Lodern. Entsetzt wich ich zurück, hatte aber genug Geistesgegenwart, Henri aufzufordern: »Lass Guise los.«
Tatsächlich steckte Henri den Dolch ein. Guise wurde von einem Krampf geschüttelt. »Madame«, brachte er hervor, »mir ist Unrecht geschehen.« Sein Blick wanderte zu Henri, dessen Miene sich verfinsterte. »Wenn jemandem Unrecht geschehen ist, dann mir!«, sagte mein Sohn mit bebender Stimme, wie ich sie bei ihm noch nie gehört hatte. »Du hast mich zum Narren gehalten, und das werde ich nie vergessen.«
»Das war nicht meine Absicht«, verteidigte sich Guise leise, »aber
Weitere Kostenlose Bücher