Die florentinische Prinzessin
achtlos auf einen Tisch in der Nähe des Kamins geworfen worden. Man hatte sie von innen nach außen gewendet und die Fingerspitzen abgeschnitten.
»Ich werde nach unserem Hofarzt, Docteur Paré, schicken«, kündigte ich Coligny an, sobald wir in der Vorhalle standen. »Sie muss fachmännisch gepflegt werden und …«
»Mit Verlaub, aber das wird nicht nötig sein.« Seine Stimme klang abweisend, als spräche er mit einer aufdringlichen Fremden. »Ich habe bereits nach einer Kapazität gesandt. Ihr Arzt wird bis zum Einbruch der Dunkelheit eintreffen.«
Mir verschlug es angesichts dieses Tons die Sprache. Ich nickte knapp und ging.
Bei unserer Rückkehr fragte ich Margot, was Jeanne ihr zugeflüstert hatte. »Sie hat mich gebeten, ihren Sohn zu schützen«, antwortete sie.
»Ihn zu schützen?« Ich runzelte die Stirn, denn mir fiel ein, dass Nostradamus dieselben Worte verwendet hatte. »Wovor? «
Sie hob die Augen zu mir. »Habt Ihr es nicht an ihren Gesichtern bemerkt, an der Art und Weise, wie Coligny mit Euch gesprochen hat?«
Ich erstarrte. Das war es also, was mir an Colignys Stimme aufgefallen war, ohne dass ich es hatte benennen können: Misstrauen mir gegenüber. »Das kann doch nicht dein Ernst sein«, protestierte ich mit einem gekünstelten Lachen. »Jeanne ist seit Jahren krank. Jeder weiß das. Coligny hat es selbst erwähnt.«
»In den letzten Tagen schien es ihr aber recht gut zu gehen.« Margots Augen bohrten sich in die meinen. »Ihr habt ihr doch diese Handschuhe geschenkt, nicht wahr? Warum haben sie die Fingerspitzen abgeschnitten?«
Den Grund kannte ich sehr wohl. Es war ein alter Trick, den sich die Borgias ausgedacht hatten: im Innern eines Handschuhs Gift auftragen, ohne dass der Besitzer etwas ahnte, bis es zu spät war. Sie hatten die Fingerspitzen abgeschnitten, um sie zu untersuchen.
Meine Stimme zitterte. » Dio mio , sie sind verrückt. Wie können sie nur glauben, dass ich ihr etwas antun würde?«
»Ihr seid eine Medici; sie hatten von Anfang an Zweifel an Eurer Aufrichtigkeit.«
»Hast du denn auch Zweifel?« Mit angehaltenem Atem wartete ich auf ihre Antwort.
»Nein«, sagte sie ruhig, »aber ich bin ja auch keine Hugenottin. «
Jeanne von Navarra starb am nächsten Nachmittag. Ich hörte auf Margots Rat und entsandte Paré, damit er eine Autopsie durchführte. Diese ergab einen fortgeschrittenen Verfall beider Lungenflügel, womit bestätigt wurde, dass sie schlicht ihrem Leiden erlegen war. Nach einigem Zögern – ich befürchtete, er würde ihren Tod als Anlass nehmen, um die geplante Hochzeit abzusagen – schrieb ich ihrem Sohn einen Kondolenzbrief, dann ließ ich die Leiche einbalsamieren und zur Bestattung nach Navarra bringen.
Zu meiner Erleichterung bestätigte mir Navarra in seiner Antwort, dass er seine Abreise nicht hinauszögern würde, und tatsächlich hielt er Mitte Juli unter einem weiß glühenden Himmel in Paris Einzug.
Eine unbarmherzige Hitze hatte uns heimgesucht. Um sich Linderung zu verschaffen, schliefen die Leute des Nachts auf den Hausdächern und drängten sich tagsüber an den Ufern der Seine. Die Stadt selbst platzte aus allen Nähten, seit Tausende von Hugenotten und Katholiken aus ganz Frankreich herbeigeströmt waren, um die Feierlichkeiten zu verfolgen. Und damit nicht genug: Die Aussicht auf fette Beute hatte auch ganze Heerscharen von Raubmördern, Bettlern und Dieben angelockt. Als nun Navarra mit seinem hugenottischen Gefolge durch die Straßen ritt, brachen seine Glaubensgenossen in einen durch ganz Paris brandenden, tosenden Jubel aus, in dem die wenigen katholischen Stimmen, die es wagten, Schmähungen auszustoßen, untergingen.
Von meinem Balkon aus beobachtete ich die sich nähernde Prozession. Ich brannte darauf, mir selbst ein Bild davon zu machen, ob Navarra wirklich zu dem stolzen Mann meiner Vision von vor so vielen Jahren herangewachsen war. Als er im Hof von seinem Pferd abstieg, eine kleine, gedrungene Gestalt, von oben bis unten in Schwarz gehüllt, winkte ich Margot zu mir. Mit ihrem hellblauen Seidenkleid und den in ihr lockiges Haar geflochtenen Perlen wirkte sie leicht und erhaben wie eine Wolke.
Zusammen schritten wir die Treppe zum Prunksaal hinunter. Er war bereits mit grell gekleideten Höflingen gefüllt, unter die sich das in Schwarz gekleidete Gefolge von Navarra mischte. Ich ließ die Augen über die hugenottischen Adeligen schweifen, entdeckte aber zu meiner Erleichterung Coligny nicht. Das Letzte,
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