Die florentinische Prinzessin
konntest du das tun?« Meine Stimme war nur ein Flüstern.
»Cosimo.« Ihr Ton verriet einen Anflug von Furcht.
»Du … hast Cosimo …?«
»Ich habe ihm geschrieben. Er hat mich aufgefordert, die Schachtel zu suchen. Schwierig war das nicht. Ihr hattet sie ja nicht wirklich versteckt.«
Ich war zu keiner Regung fähig. Die Schachtel lag schwer wie Marmor in meiner Hand. »Warum?«, hörte ich mich fragen.
Ihre Augen glühten. »Charles will wegen all dem, was Ihr getan habt, sterben. Ihr habt seine Untertanen getötet und alle Hugenotten gegen ihn aufgebracht.« Sie machte eine Pause. »Aber was das Wichtigste ist: Ihr habt Coligny umgebracht, den er wie einen Vater liebte.«
»Das ist eine Lüge!«, zischte ich. »Diese Sache hat nichts mit Charles zu tun. Du hast das getan, weil du Guise liebst und ich dich zu der Hochzeit mit Navarra gezwungen habe, und jetzt glaubst du, ich hätte …« Ich verstummte benommen, als ich ihren wissenden Blick bemerkte.
»Was, Maman?«, gurrte sie. »Dass Ihr plant, Navarra als Nächsten umzubringen? Ist nicht das der Grund, warum Ihr ihn mit Henri auf die Jagd geschickt habt, damit Ihr ihn im Wald töten und das als Jagdunfall ausgeben könnt? Dann besteht keine Möglichkeit mehr, dass er zum Anführer der Hugenotten wird. Ihr werdet sein Reich an Euch reißen, den Rest der Hugenotten aus dem Weg räumen und mich erneut dorthin verheiraten, wo es Euch gerade passt.«
»Sie hasst uns«, knurrte Hercule, als wäre ich gar nicht anwesend. »Maman hasst uns, und sie hat uns nicht vor dem Massaker gewarnt. Sie will, dass wir alle sterben.«
In fassungslosem Entsetzen starrte ich meine Tochter an. Was hatte ich nur getan, dass ich einen derart verderbten Menschen geschaffen hatte? Ich hatte doch all meine Kinder geliebt und mich so gut um sie gekümmert, wie mir das möglich war. Und ich hatte darum gekämpft, ihnen Geborgenheit schenken zu können. Gewiss, in ihrer frühen Kindheit konnte ich nicht bei ihnen sein, aber doch nur, weil Diane sie mir gestohlen hatte. Nach dem Tod meines Gemahls hatten sie wieder mir gehört, und ich hatte nie darin nachgelassen, sie zu beschützen. Wie hatte Margot, die von solcher Schönheit und voller Versprechen war, zu einer so niederträchtigen Fremden werden können? Ich versuchte, meine ganze Wut zu sammeln und sie mit einem vernichtenden Schlag zu demütigen, doch auf einmal entfaltete sich die Wahrheit vor meinen Augen, und ich konnte ihr nicht länger ausweichen.
Margot schreckte in ihrer Rachsucht vor nichts zurück. Sie war eine Medici – mein Blut war ihr Fluch.
»Ich habe Charles das Amulett und das Gift gegeben«, fuhr Margot freimütig fort, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Denn das hatte mir Cosimo geraten: sein Vertrauen gewinnen, indem man ihm zeigt, wozu man in der Lage ist.«
Die Schachtel fiel mir aus der Hand, doch ich hörte nicht, wie sie auf dem Boden aufprallte.
»Aber das ist noch nicht alles.« Um ihre Lippen spielte ein boshaftes Lächeln. »Charles wollte Navarra nach Vincennes entkommen lassen. Aber dann seid Ihr hereingeplatzt und habt ihm seine letzte Hoffnung auf Erlösung geraubt. Jetzt glaubt er, dass Navarra dem Tode geweiht ist. Das ist der Grund, warum er das Gift geschluckt hat. Er kann mit seiner eigenen Schuld nicht länger leben.«
Ich starrte ihr ins Gesicht, in diese hartherzigen Augen, dann packte ich sie und schüttelte sie, bis die Perlen sich aus ihren Haaren lösten und über den Boden kullerten. »Er glaubt, Navarra wird sterben, weil du ihm den Kopf mit Täuschungen vollgestopft hast! Weißt du, was du getan hast? Weißt du das? Dein Bruder stirbt wegen dir!«
Sie lachte mir ins Gesicht. »Es ist Euer Gift, Euer Amulett. Jeder wird sagen, dass Ihr das wart, genauso, wie Ihr Königin Jeanne umgebracht habt, genauso, wie Ihr mich für die Ehe mit Navarra benutzt habt, damit Ihr die Hugenotten nach Paris locken könnt, um sie abzuschlachten. Die Leute werden sagen, dass Ihr Euren Sohn umgebracht habt, und niemand wird Euch jemals wieder trauen.«
Hercule duckte sich. »Ich hab’s nicht getan«, lallte er. »Ich war’s nicht.«
Ich stieß Margot von mir und trat einen Schritt zurück. »Sobald ich mich um deinen Bruder gekümmert habe, werde ich mit dir verfahren, wie du es verdienst.«
Ich stellte Wachen vor den Räumen meiner Jüngsten auf und sandte Soldaten nach Chaumont, damit sie Cosimo verhafteten und in die Bastille abtransportierten, was umgehend geschah.
Bei Anbruch
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