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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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der Nacht begab ich mich mit Birago zu ihm. Als ich die schmutzige Zelle tief in der Festung betrat, überlief mich ein eisiger Schauder beim Anblick meines bis auf einen zerfetzten Lendenschurz völlig nackt an einen Stuhl geketteten Astrologen. Im Schatten an der Wand hinter ihm hingen alle möglichen Zangen und sonstigen Folterwerkzeuge.
    Die bleiche Haut von oben bis unten durch Blutergüsse entstellt, sah Cosimo aus wie ein Kadaver. Kaum hatte er mich erkannt, schien alles Leben, das noch in ihm steckte, in seine Augen zu schießen, und das brachte mir die Erinnerung an den kleinen Jungen zurück, dem ich vor dem Haus seines Vaters begegnet war. Ich kannte ihn seit meiner Kindheit; er war nur unwesentlich jünger als ich. Vor allem war er ein Landsmann, ein Florentiner. Einen Moment lang befielen mich lähmende Zweifel. Was, wenn die Erwähnung von Cosimo Teil von Margots Rache war? Was, wenn sie die Schachtel selbst gefunden, ihr Gift Charles in die Ohren geträufelt und so einen ohnehin schon anfälligen Menschen vollends in den Wahnsinn getrieben und die Beschuldigung Cosimos erst im Nachhinein mit ihren Plänen verwoben hatte?
    »Madama«, murmelte Birago, »wir müssen zügig handeln. Das Leben Seiner Majestät hängt davon ab.«
    Ich nickte, woraufhin Birago sich an einen kleinen Tisch setzte und aus seinem Tornister Papier und Feder nahm, um die Unterredung zu protokollieren. Cosimo starrte mich an, ohne ein einziges Mal mit der Wimper zu zucken, womit er noch mehr Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit heraufbeschwor, die mich auch dann noch innerlich glühen ließen, als Biragos wohltönende Stimme den kleinen, kalten Raum füllte.
    »Cosimo Ruggieri, Ihr werdet der Verschwörung gegen Seine Majestät beschuldigt, mit der Absicht, dessen Tod durch Gift herbeizuführen. Ihre Hoheit ist zu Euch gekommen, um das Rezept für das Gegengift in Erfahrung zu bringen. Wenn Ihr es ihr gebt, verspricht sie, Euch am Leben zu lassen.«
    Cosimo zeigte keine Regung; es war nicht einmal klar, ob er überhaupt etwas gehört hatte.
    »Cosimo«, ergänzte ich, »du weißt, dass ich nicht den Wunsch habe, dir Schmerzen zuzufügen. Verrate mir einfach, was ich tun muss, um meinen Sohn zu retten. Du kennst die Zutaten zu dem Gift. Worin besteht das Gegengift?«
    Seine Wange zuckte. Birago beugte sich eilig über den Tisch. »Wenn Ihr nicht sprecht, wird die Wahrheit mit Gewalt aus Euch herausgepresst. Jedes Gift trägt auch ein Heilmittel in sich. Das wisst Ihr, und das werdet Ihr uns auch sagen. «
    Cosimos Mund verzerrte sich. Ein Lachen wie Metallsplitter drang heraus. »Ihr versteht es wohl immer noch nicht, wie? Ich habe mein ganzes Dasein dafür hingegeben, das Geschenk zu erlangen, das in Eurem Innern anzunehmen Ihr Euch geweigert habt. Alles, was ich gelernt, alles, was ich entdeckt habe, das habe ich in Eure Dienste gestellt. Ich habe das getan, was selbst zu tun Ihr nicht die Kraft hattet. Ich bin Euer Werkzeug.«
    Ich erschauderte. »Du bist … bist verblendet! Wie kannst du es wagen, einen Anspruch auf mein Leben zu erheben?«
    »Weil ich Euch gehöre!« Seine Rippen stachen unter seinen Fesseln hervor. »Ihr habt nie an mich gedacht! Ihr habt mich allein gelassen und ignoriert, aber ich … ich habe immer Euch gehört! Während Ihr Eure Aufmerksamkeit nur Eurem Narren Nostradamus geschenkt habt, der Euch außer Gedichten und Versen nichts gab, habe ich die dunkelsten Bereiche erforscht, die Euch zu Eurem Herzenswunsch führen. Aber Ihr habt mich verschmäht. Ihr habt mich fallenlassen, und jetzt …«
    »Genug!« Ich schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht, sodass er mit seinem Stuhl nach hinten kippte. Ich sah, wie er die Augen aufriss und Blut aus seiner geplatzten Lippe spritzte. »Hast du meiner Tochter von der Schachtel erzählt? Hast du sie dazu aufgehetzt, das Vertrauen meines Sohnes zu mir zu zerstören und ihm weiszumachen, ich hätte Navarra ermordet? «
    Wieder brach dieses schrille, höhnische Lachen aus ihm hervor, und noch mehr Blut spritzte. »Ja! Das alles habe ich getan! Und jetzt könnt Ihr Eure Raserei an mir auslassen; jetzt könnt Ihr die Königin werden, zu der Ihr geboren wurdet: so mächtig und furchterregend, dass man Euch für alle Zeiten in Erinnerung behalten wird. Ich habe Euch immer gekannt, obwohl Ihr mich nie geliebt noch an mich geglaubt habt.« Er reckte mir das Gesicht entgegen. »Oder glaubt Ihr, dass die Lanze, die Eurem Gemahl das Leben raubte, Zufall war?«
    Ich erstarrte.

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