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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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stemmte sich jäh mit solcher Wucht nach oben, dass Paré zu Boden fiel. Ich schnappte entsetzt nach Luft, als sich Charles’ Rücken durchbog und sein Kopf beinahe die Füße berührte, sodass sich das Nachthemd über der Brust immer mehr spannte, bis es riss. Hektisch kletterte Paré aufs Bett zurück, als eine neue Welle von Krämpfen über Charles hereinbrach. Endlich löste ich mich aus der Erstarrung. Ich stürzte vor und packte Charles an den Armen, während Birago ihn an den Füßen erwischte, sodass Paré endlich den Riemen zwischen seine Zähne zwängen konnte. Die Energie, die mein Sohn entwickelte, war schier unmenschlich. Mit all meiner Kraft stemmte ich mich gegen ihn, doch mir stockte der Atem, als ich sah, wie sich Charles’ Augen in den Höhlen verdrehten und Blut aus seiner Nase quoll.
    Abrupt erstarrte er; nur seine Brust hob sich mit einem gurgelnden Geräusch.
    »Was ist das?«, japste ich. »Was hat er?«
    »Ich weiß es nicht«, ächzte Paré. »Ich wollte ihm seine Nachmittagsmixtur bringen, aber Ihre Hoheiten Margot und Hercule waren gerade bei ihm zu Besuch. Darum habe ich das Getränk stehen lassen und bin später noch einmal gekommen. Da waren Ihre Hoheiten schon gegangen, und er schlief. Ich habe draußen noch ein wenig gewartet, als ich auf einmal ein Würgen hörte. Da bin ich hineingestürzt und habe ihn in diesem Zustand vorgefunden. Dabei hat er heute Morgen schon leidlich erholt gewirkt … Er hatte kein Fieber. Ich habe es gemessen.«
    »Margot war da?« Ich blickte Birago bestürzt an.
    »Seht Euch nur seine Brust an«, flüsterte er.
    Ich warf einen Blick auf seinen entblößten Oberkörper. Auf der weißen Haut lag ein Amulett aus mattem Silber mit einem eingravierten, archaischen Motiv. Ich erstarrte. Mittlerweile hatte sich Paré erhoben und war zu dem Durcheinander vor einem der umgestürzten Tische gehastet. Ich sah, wie er einen Kelch in die Hand nahm und daran schnupperte.
    Er prallte zurück. »Mandeln.« Entsetzt ließ er den Kelch fallen und hob die Augen zu mir. »Das ist eine Form von Arsen! Das war in seinem Trank! Gott im Himmel, der König ist vergiftet worden!«
    »Unmöglich«, flüsterte ich, doch das Amulett hatte ich sofort erkannt. Cosimo hatte es mir gegeben, als ich ihn in Chenonceau aufgesucht hatte. Zuletzt hatte ich es an dem Tag gesehen, als ich meinen ersten und letzten Zauber gesprochen hatte. Danach hatte ich es zu den Wachsfiguren in die Schachtel gelegt und nie wieder getragen. Aber von Umzug zu Umzug hatte ich die Schachtel stets mitgenommen, auch wenn sie unter meinen übrigen Habseligkeiten in Vergessenheit geraten war.
    Paré fiel auf die Knie. »Ich habe es nicht getan. Hoheit, ich schwöre Euch, das war nicht ich!«
    Diese jämmerlichen Unschuldsbeteuerungen stammelte ein Mann, der nicht einmal in den letzten Stunden meines Gemahls und meines ältesten Sohnes die Fassung verloren hatte. Plötzlich begann alles um mich herum zu kippen, als kenterte das ganze Zimmer und versänke langsam in einem tosenden, dunklen Meer.
    »Margot«, flüsterte ich und stolperte hinaus.

    Ich eilte in meine Gemächer und rannte vorbei an meinen erschrockenen Hofdamen in die Schlafkammer, um hektisch meine Frisierkommode zu durchwühlen. Die Schachtel war verschwunden. Ich wirbelte herum und stürmte zu Margots Räumen, wo sie zusammen mit Hercule auf der Fensterbank saß. Als sie mit wirbelnden Röcken aufsprang, registrierte ich ihre verwirrte Miene, die nach wochenlanger schnippischer Gleichgültigkeit Bände sprach. Ich beäugte ihr weißes Seidengewand, die traubengroßen Perlen in ihrem Haar und dachte bei mir, dass sie sich wie für eine Feier hergerichtet hatte. Dann musterte ich Hercule. Er wich ängstlich zurück. Sein Gesicht wurde kreidebleich.
    Jetzt war mir alles klar.
    »Wo ist sie?«, fauchte ich. Noch näher trat ich nicht auf Margot zu, denn sonst hätte ich sie womöglich mit bloßen Händen erdrosselt.
    Sie wandte sich zu einer Truhe um, nahm die Schachtel heraus und reichte sie mir mit weit ausgestreckten Armen. In ihrem Innern entdeckte ich die achtlos hineingeworfenen Wachspuppen. Das Pochen meines Herzens dröhnte mir in den Ohren. Mit mechanischen Bewegungen ließ ich den unter dem Futter verborgenen Riegel zurückschnappen, öffnete das Geheimfach, und das Fläschchen, das Cosimo mir gegeben hatte, kam zum Vorschein. Es war leer. Ein prüfendes Schnüffeln, und der beängstigende Geruch von Mandeln stieg mir in die Nase.
    »Wie … wie

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