Die florentinische Prinzessin
»Nein. Das ist … das kann nicht wahr sein.«
Ein groteskes Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Könnt Ihr es nicht spüren? Es ist um uns herum, jeden Moment; es fesselt uns für alle Zeiten. Jeder Schritt, den Ihr seit jenem verhängnisvollen Tag getan habt, war vorherbestimmt. Ihr werdet bis zu Eurem Tod Königin sein; Ihr werdet Frankreich vor der Zerstörung bewahren; aber die Blutlinie, um deren Bewahrung Ihr bis zum letzten Atemzug kämpfen werdet, der unfruchtbare Samen, der Eure Familie ist – das alles ist verdammt.«
Birago sprang auf. Er zitterte vor Zorn. »Er ist verrückt. Wir müssen den Folterknecht holen.«
Ich musste an die Warnung denken, die Nostradamus vor Jahren vor Chaumont ausgesprochen hatte: Er spielt mit dem Bösen. Und Böses wird er bewirken. Das ist sein Schicksal. Ich fixierte Cosimo. »Entweder du verrätst mir auf der Stelle, wie ich meinen Sohn retten kann, oder ich verspreche dir, dass du, noch bevor dieser Tag vorbei ist, um meine Gnade flehen wirst.«
»Ich brauche keine Gnade mehr«, flüsterte er. »Und es gibt nichts, was Ihr tun könnt. Es ist zu spät.«
»Dann«, sagte ich, »ist es auch für dich zu spät.« Ich wandte mich an Birago. »Schneidet ihm die Zunge und die Hände ab, damit er seine schändliche Kunst nie wieder ausüben kann. Wenn er das überlebt, setzt ihn in eine Galeere nach Italien.«
Ich wandte mich zur Tür. »Nein!«, brüllte Cosimo mir nach. »Verlasst mich nicht, meine Duchessina !«
Diesmal blickte ich nicht zurück.
Um Mitternacht fand sich Birago in meinen Gemächern ein, um mir zu melden, dass Cosimo während der Folterung gestorben und seine Leiche in eine der Gruben vor der Stadt geworfen worden war, ohne dass irgendetwas seine letzte Ruhestätte kennzeichnete.
Schließlich erkundigte er sich nach Charles. In meinem Stuhl vor dem Kamin sitzend, erklärte ich mit flacher Stimme: »Paré versorgt ihn. Es gibt nichts, was wir noch tun können. Zieht Euch zurück und ruht. Ihr seht müde aus. Morgen sprechen wir weiter.«
»Madama«, sagte er leise, »Ihr könnt doch diesem Elenden nicht glauben. Der Tod Eures Gemahls war ein Unfall. Ihr wart dabei. Ihr habt es selbst gesehen.«
Der Atem blieb mir in der Kehle stecken. »Ich ertrage das nicht mehr. Geht jetzt, bitte.«
Er entfernte sich. Ich blieb allein zurück und starrte in die Flammen, die mir ihre Geheimnisse zuflüsterten.
Ihr werdet Frankreich vor der Zerstörung bewahren; aber die Blutlinie, um deren Bewahrung Ihr bis zum letzten Atemzug kämpfen werdet, der unfruchtbare Samen, der Eure Familie ist – das alles ist verdammt .
Cosimo war nie ein Seher gewesen, doch in diesem Moment glaubte ich ihm. Keiner meiner Söhne hatte Kinder. Obwohl Charles nun schon seit über zwei Jahren verheiratet war, verriet seine Gemahlin keine Anzeichen von Fruchtbarkeit. Und wenn Charles starb, würde nur noch Henri als Stammhalter übrig bleiben, denn es war nun einmal traurige Wahrheit, dass die Pocken Hercule zerstört hatten und er nie in der Lage sein würde zu herrschen. Wie ein Tier in einem Irrgarten kehrten meine Gedanken unablässig zu jenem Tag in der Provence zurück, als Nostradamus mir prophezeit hatte, dass meine Söhne das Erwachsenenalter erreichen würden. Dass sie kinderlos sterben würden, hatte er nicht gesagt, und doch stand mir diese Drohung nun vor Augen; sie war eine Wahrheit, vor der es kein Entrinnen gab und die ich nicht ignorieren konnte.
Wenn Henri keinen Sohn zeugte, würde Navarra erben. Die Zukunft würde von einem hugenottischen Prinzen abhängen, der mich für seine Feindin hielt, dessen Mutter vergiftet zu haben ich bezichtigt wurde, dessen Freunde in meinem Palast niedergemetzelt worden waren und dessen Konversion ich erzwungen hatte. Alles, wofür ich gekämpft hatte, das Vermächtnis des Friedens, den ich für Frankreich angestrebt hatte, und meine Blutlinie, würden von seinem Absatz zermalmt werden.
Ich zwang mich aufzustehen und trat ans Fenster. Draußen schwankten die vom Wind zerzausten Bäume unter einem schwarzen Himmel, der im Licht Tausender Sterne verschwamm. Während ich die unendlich weit entfernten Konstellationen betrachtete, fragte ich mich, wozu ich gekämpft, geplündert, mich durch ein selbst geschaffenes Labyrinth gearbeitet hatte, wenn meine Zukunft von vornherein festgelegt gewesen war.
Ich kehrte zu meinem Pult zurück, nur um eine schiere Ewigkeit lang den Papierstoß und die Federkiele anzustarren.
Ihr braucht einander,
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