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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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legte er die Stirn in Falten. Auch wenn er vielleicht das Gegenteil vorgab, waren ihm die Konsequenzen des Massakers sehr wohl bewusst, und er verübelte es sich selbst, dass er Guise in der bewussten Nacht nachgegeben hatte, denn so war der Eindruck entstanden, er hätte den Tod Tausender gebilligt.
    »Hercule hatte nichts mit der Blutnacht zu tun«, fuhr ich fort. »Mit ihm wird Elizabeth folglich ihr übliches Spiel treiben und sich zieren können. Aber bei dir ginge das nicht. Sie hat erfahren, dass du in der bewussten Nacht in Colignys Haus warst.«
    »Und das ist alles? Sonst gibt es nichts?«
    »Nein.« Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Es wird nur für kurze Zeit sein, das verspreche ich dir. Wir können uns täglich schreiben.«
    Nach kurzem Zögern nickte er. »Wahrscheinlich könnte ich etwas Abstand gut gebrauchen.« Er schmunzelte. »In Savoyen wird es bestimmt nicht so düster zugehen.« Er küsste mich auf die Wange. »Hoffentlich wisst Ihr, was Ihr mit Navarra machen wollt. Gott allein weiß, was er unternimmt, sobald er sich wieder sicher fühlt.«
    »Allerdings«, murmelte ich unhörbar, als er zur Tür schlenderte.
    Wieder allein, sank ich auf meinen Stuhl. Ohne an irgendetwas Bestimmtes zu denken, vergrub ich das Gesicht in den Händen und weinte wie schon seit Jahren nicht mehr. Ich trauerte um Tausende von Toten; um das Kind, das ich gewesen war, und um die Familie, die ich zurückgelassen hatte, um das Land, an das ich mich kaum noch erinnern konnte, und um das Land, für dessen Rettung ich kämpfte. Ich weinte um meine toten und um meine lebenden Kinder, die, infiziert vom Hass unserer Religionskriege, herangewachsen waren. Ich weinte um meine Freunde und Feinde; um all die verlorenen Hoffnungen und Illusionen.
    Aber vor allem weinte ich um mich selbst und um die Frau, zu der ich geworden war.

    Zwei Monate später saß ich an Charles’ Bett, während er sich die Lunge aus dem Leib hustete. Er war noch keine vierundzwanzig Jahre alt, doch Cosimos Gift hatte langsam seine Wirkung entfaltet und ihn von innen zersetzt, sodass er durchnässt von Schweiß und seinem eigenen Blut dalag.
    Seine Finger klammerten sich um die meinen. Seine Augen waren geschlossen, seine Brust hob sich bei den flachen Atemzügen kaum noch. Vorhin hatte er ein Dokument unterzeichnet, das mir die Regentschaft bis zu Henris Rückkehr zusprach. Seine Frau Isabell war bereits in Trauer und mit ihrem Gebetspult verwachsen. Nur Birago, ich und sein treuer Jagdhund leisteten ihm Beistand, während er zwischen Halbschlaf und Bewusstlosigkeit vor sich hin dämmerte.
    Kurz nach vier Uhr am Nachmittag ließ sein Fieber nach. Und während ein Regenschauer gegen die Mauern des Schlosses prasselte, öffnete er noch einmal die Augen und blickte mich an.
    »Vergebt mir«, flüsterte er.

TEIL VII
1574 – 1588 Der Geliebte

33
    Ich schritt in meinem Gemach im Palast von Lyon auf und ab, wobei ich unentwegt auf den mit Juwelen besetzten Saum meines Rocks trat und jedes Mal zum Fenster zurückhastete, sobald ich im Hof draußen Lärm hörte.
    Der Herbst war nach Frankreich gekommen. An den Eichen hingen braun verfärbte Blätter, und die Hügel badeten in feuerroter Pracht. Vier Monate waren seit Charles’ Tod vergangen, vier lange, schwere Monate, in denen ich ihn beerdigt, seine Witwe nach Chenonceau geschickt und mich mit all meinen Kräften darum bemüht hatte, das Reich zu bewahren. Und jetzt hatte ich die Nachricht erhalten, dass Henri Avignon passiert hatte und die Rhône hinaufzog. Eskortiert wurde er von Hercule, dessen Bedeutung beträchtlich zugenommen hatte, seit wir ihn zum zweiten Erben bestimmt hatten.
    Bald würde mein geliebter Sohn seinen Thron beanspruchen.
    Ich wandte mich vom Fenster ab, da Birago mit seinen allgegenwärtigen Mappen hereingeschlurft kam. Unwillkürlich schnitt ich eine Grimasse, als er sie auf meinem Pult ablud. Eigentlich hätte ich Mitleid mit ihm haben müssen. Charles’ Tod hatte ihn schwer getroffen und über Nacht altern lassen. Er versuchte seinen Kummer zu lindern, indem er jede wache Stunde der Arbeit widmete. Ich war heute allerdings nicht in der Stimmung, seine Leichenbittermiene oder eine seiner Klagen über meine Aufgaben zu ertragen.
    »Was immer es ist, es kann warten«, erklärte ich ihm.
    »Aber diese Depeschen sind aus England. Königin Elizabeth verlangt, dass wir uns ihrem Protest gegen weitere Angriffe der Spanier in den Niederlanden anschließen. Sie sagt …«
    »Sie wird

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