Die florentinische Prinzessin
Ich habe Suchtrupps ausgesandt, aber bisher weiß niemand etwas über seinen Aufenthalt.«
»Hört nicht auf, ihn zu suchen. Weit kann er nicht gekommen sein.« Ich zog meinen Umhang fester um mich. »Seht zu, dass eingeschürt wird, und bringt dann eine warme Mahlzeit nach oben.« Ich wedelte mit der Hand. »Geht. Ich kümmere mich um alles.«
»Madama«, sagte er, »eines solltet Ihr wissen: Die Leiche … ist immer noch bei ihm.«
Ich nickte knapp. Einen Schauer, der mich auf dem Weg zu Henris Schlafgemach befiel, verscheuchte ich, dann klopfte ich an. Jäh drängte sich mir die nur allzu lebhafte Erinnerung an meinen letzten Besuch auf, als ich Guast nackt in Henris Bett angetroffen hatte.
Drinnen rührte sich nichts. Ich klopfte noch einmal, lauter diesmal, und hörte das Echo widerhallen, als wäre der ganze Palast leer. »Henri«, sagte ich, »ich bin es. Ich bin wieder da. Mach die Tür auf, mein Sohn.«
Ich vernahm eine gedämpfte Bewegung, das metallische Scheppern eines Gegenstands, der zur Seite gestoßen wurde. Dann sprach er mit tonloser Stimme: »Geht weg.«
»Nein. Henri, bitte. Lass mich rein. Ich … ich will ihn sehen.«
Lange herrschte Stille. Schon erwog ich, die Tür aufbrechen zu lassen, doch dann hörte ich, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Eilig ergriff ich die nächste Kerze und stieß die Tür auf.
Obwohl es eisig kalt war, schlug mir mit voller Wucht ein fauliger Gestank entgegen. Als Erstes bemerkte ich einen nicht angezündeten Kerzenleuchter auf der Anrichte. Schnurstracks trat ich darauf zu und entzündete mit meiner Kerze den Leuchter, bis die Flammen aufloderten und die Schatten vertrieben. Jetzt sah ich Henri auf der Bettkante kauern. Das lange Haar war ihm ins Gesicht gefallen. Bekleidet war er mit einem schimmernden rot-goldenen Wams, demselben, das ich in meiner Vision gesehen hatte. Nur die Ärmel waren offen, und die Aufschläge seines Hemds waren über den Handgelenken blutverschmiert.
Aufgebahrt auf dem Bett in seinem Rücken lag Guast und verweste bereits.
Mein Herz zerbarst.
»Er … er hat sich nicht verabschiedet«, ächzte Henri fassungslos. »Ich habe ihm unablässig vorgehalten, dass er mich doch nicht einfach so verlassen kann …« Er hob das Gesicht zu mir; den Anblick seiner gehetzten Augen konnte ich fast nicht ertragen. »Warum, Maman? Warum haben sie ihm das angetan?«
»Das weiß ich nicht«, murmelte ich und trat näher an ihn heran. »Mein Sohn, jetzt musst du dich von ihm verabschieden. Er wird dich hören, auch wenn er nicht antworten kann. Dann können wir ihn beerdigen und …«
Stöhnend vergrub er das Gesicht in den Händen. »Das kann ich nicht! Ich kann ihn nicht in die Dunkelheit gehen lassen. Er hasst das Dunkel. Er … er will in der Nacht immer eine Kerze bei sich am Bett haben.«
»Dann werden wir eine bei ihm aufstellen«, versprach ich ihm. Meine Stimme klang ganz ruhig, obwohl es mir einen entsetzlichen Stich ins Herz versetzte, dass er diesen Kummer und diese Trauer über einen Verlust erleiden musste, über den man wohl nie ganz hinwegkommt. »Komm mit mir.« Ich griff nach seiner Hand. Seine Finger waren schlaff, eisig und mit getrocknetem Blut bedeckt. Ich stellte mir vor, wie er Guast vom Saal die Treppe hinauf und durch den Prunkgang in seine Gemächer getragen hatte und ihn …
Der Griff seiner Hand wurde fester. »Ich will, dass sie alle verhaftet und in die Bastille gesperrt werden – Hercule und jeder Einzelne von den Barbaren, die daran beteiligt waren. Aber vor allem will ich Navarra haben!«
Ich erstarrte. Meine Augen bohrten sich in die seinen. »Woher … woher weißt du das?«
Er erhob sich, stakste zur Anrichte und griff nach einem Gegenstand. Dann drehte er sich zu mir um und hielt ihn hoch. Es war der Dolch, der Guast getötet hatte. An der Klinge klebte immer noch Blut. Und in den Schaft waren zu meinem fassungslosen Staunen Navarras ineinander verschlungene Ketten in Gold geschmiedet worden.
»Das ist sein Emblem.« Henris Stimme wurde eisig. »Er hat den kleinen Affen aufgehetzt, aber er ist der wahre Mörder. Er hat es getan. Er hat meinen Guast umgebracht. Ich will Rache.«
Wortlos griff ich nach dem Dolch. In meinen Händen fühlte er sich schwer an. Als ich jäh ein Hüsteln hinter uns hörte, fuhr ich mit einem unterdrückten Aufschrei herum. Es war Birago mit einem bedeckten Tablett. Als uns der Geruch warmer Speisen entgegenwehte, traten Henri die Tränen in die Augen. Auf mich
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