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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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jetzt diese Diebesbande wirkten auf mich immer mehr wie eine Inszenierung, als sollte ich bewusst auf eine falsche Fährte gelockt werden.
    Im Innern des Schlosses war der herrlich intarsierte Boden übersät mit Scherben, den Holzresten zertrümmerter Fässer, Knorpeln und Knochen; an den Wänden klebte der Ruß von offenen Feuern, und unsere kostbaren Wandteppiche waren heruntergerissen und als Bettdecken benutzt worden. Zwischen den Abfällen stöberten räudige Jagdhunde nach Fressbarem.
    Auf ein Zeichen von Margot hin drehte ich mich um und erkannte Hercule, der sich uns zögernd näherte. Unter der mächtigen, gewölbten Decke des gewaltigen Saals von Chambord wirkte er noch zwergenhafter, als er ohnehin schon war. Eigentlich erwartete ich eine gestammelte Beteuerung, er hätte dies nicht absichtlich getan, sondern wäre gezwungen worden, doch er wahrte ein störrisches Schweigen, bis ich in kaltem Ton sagte: »Dein Bruder ist wütend, und ich bin es auch. Was ist in dich gefahren?«
    Sein Gesicht verfärbte sich. Er stand so dicht vor mir, dass uns nur eine Handbreit trennte. Er straffte die Schultern, und mechanisch, als hätte er es auswendig gelernt, knurrte er: »Wenn Ihr mir droht, ziehe ich mit meiner Armee gegen Paris.«
    Ich lachte schallend los. »Du wirst nichts dergleichen tun! Du wirst deine sogenannte Armee auflösen und mit mir an den Hof zurückkehren, wo du mich auf Knien um Vergebung anflehen wirst.«
    Wütend funkelte er mich an, bis Margot sich zwischen uns schob. »Hercule, hör mir zu: Du kannst deine Armee nicht gegen Henri aufbieten. Das wäre Hochverrat.«
    Seine Lippen zuckten. Als er schließlich zu sprechen begann, platzten die Worte aus ihm heraus, als hätte sonst die Gefahr bestanden, dass sie in ihm stecken blieben. »Ich werde meine Männer entlassen, sobald ich die Anerkennung bekomme, die ich verdiene.«
    Mir war sofort klar, dass das nicht seine eigenen Worte waren. Dazu hatte er einfach nicht den Mut. Jemand hatte ihn gedrillt, jemand, dem es um sehr viel mehr ging als lediglich um die Ermordung eines Günstlings. Niemand hätte so viel Zeit und Geld dafür verwendet, Hercules Minderwertigkeitsgefühle auszubeuten, wenn er nicht bestimmte Absichten damit verfolgte.
    »Wie kannst du es wagen, dir einzubilden, du könntest mir irgendwelche Bedingungen diktieren?«, zischte ich.
    Er kaute auf seiner Unterlippe, dann warf er Margot einen hilflosen Blick zu. Ich packte ihn am Arm, zerrte ihn zum nächsten Erkerfenster, stieß ihn auf die Sitzbank und baute mich dicht vor ihm auf. »Wo ist dein Zahlmeister jetzt, hm? Glaubst du, er gibt einen Pfifferling auf dich? Er benutzt dich doch nur für seine Zwecke, und sobald er hat, was er will, wirft er dich den Hunden zum Fraß vor. Wer ist es?« Ich rammte ihm fast die Nase ins Gesicht. »Sag’s mir auf der Stelle. Wer ist es? Warum tut er das?«
    Er zuckte zurück. Seine Augen quollen ihm schier aus dem Kopf. Erneut drängte sich Margot zwischen uns. »Hört auf! Seht Ihr denn nicht, dass er Angst hat?«
    »Sehr schön«, schnaubte ich. »Die sollte er auch haben. Er hat keine Ahnung, wozu ich fähig bin!«
    Margots Stimme brach. »Lasst ihn! Er kann nichts dafür. Er hat doch nichts …«
    »Guise«, flüsterte Hercule. Langsam drehte ich mich zu ihm um. »Guise hat mir gesagt, dass ich Henris Freund umbringen soll.«
    Eiseskälte breitete sich in mir aus. Margot wollte Hercule den Mund zuhalten, doch ich fiel ihr in den Arm. Sie funkelte ihn wütend an, aber jetzt war Hercule nicht mehr aufzuhalten. Er wollte sich nur noch die Last von der Seele reden. »Guise ist zu mir gekommen. Er hat gesagt, dass Henri gegen Gott und die Natur frevelt. Er hat gesagt, dass Frankreich nie einen Lustknaben als König dulden wird oder einen Ketzer als seinen Nachfolger. Er hat mir gesagt, dass ich eine große Belohnung bekomme. Er … er hat mir sogar den Dolch geschenkt.«
    Tränen quollen aus seinen Augen. Und auch wenn er sich bemühte wegzuschauen, bemerkte ich, wie sein Blick zu Margot hinüberwanderte. Diese wurde starr wie ein Stein.
    Ich sah sie scharf an. »Wusstest du darüber Bescheid?«
    Sie zuckte zusammen. »Natürlich nicht! Ich war mit Euch am Sterbebett meiner Schwester. Wollt Ihr mich etwa beschuldigen, das Messer geschwungen zu haben, obwohl ich gar nicht in Paris war?«
    Ich hielt ihrem Blick stand. »Henri will Hercule in die Bastille sperren. Wenn du irgendetwas über diese Pläne wusstest und es mir vorenthalten hast,

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