Die florentinische Prinzessin
lang waren wir wieder vereint.
Gemeinsam warteten wir. Als es auf den Abend zuging, küsste Claude ihren Mann ein letztes Mal und schloss die Augen.
Nach der Beerdigung begab sich Claudes Gemahl auf mein Drängen hin mit seinen Kindern zu ihren Großeltern in der Nähe des Stammsitzes der Guises in Joinville. Allein mit den Bediensteten im Haus, packten Lucrezia, Margot und ich Claudes Besitztümer zusammen und richteten in ihrem Namen eine Stiftung am St.-Claire-Kloster ein, dessen Schirmherrin sie gewesen war.
Als ich am Abend vor unserer Abreise beaufsichtigte, wie meine Sachen gepackt wurden, regte sich meine besondere Gabe wieder. Mitten in einer Bewegung, die Hand halb erhoben, erstarrte ich, und die Wände lösten sich auf.
Ich stehe in einem von Fackeln beleuchteten Korridor vor dem Thronsaal. Von drinnen sind das Klimpern von Lauten und das Dröhnen von Pauken, durchsetzt von Gelächter, zu hören. Auch wenn ich niemanden sehen kann, weiß ich: Der Hof feiert. Ich schaue mich um. Warum bin ich hier? Schließlich erblicke ich sechs Män - ner in Kapuzenumhängen, die mit Masken vor den Gesichtern auf mich zukommen. Angeführt werden sie von einer breitschultrigen Gestalt, deren Züge ich unter der Maske nicht ausmachen kann. An ihrer Seite läuft mit wehendem Umhang Hercule. Sie marschieren an mir vorbei. Ich erhasche ein Glimmen in Hercules Augen, als er zum Anführer hinüberblinzelt und seine vernarbten Wangen sich vor Vorfreude färben. Ich will nach ihm fassen, doch meine Hände greifen durch ihn hindurch, als wäre er aus Rauch.
Sie treten in den Saal. Auf dem Podest lümmelt Henri auf seinem Thron. Er trägt ein herrliches rot-goldenes Wams. Lächelnd beobachtet er jemanden. Ich folge seinem Blick und erkenne in der Mitte des Saals Guast. Man hat ihm die Augen verbunden. Lachend drehen ihn die leichten Mädchen vom Hof unentwegt im Kreise herum. Blind ins Leere tastend, versucht Guast, eine davon zu haschen. In dem bunten Treiben achten die Gäste weder auf die sich nähernden Männer, noch bemerken sie, dass ihr Anführer Hercule nach vorn winkt. Doch die leichten Mädchen weichen jäh zurück, und ihr Lachen erstirbt, als Hercule Guast die Binde herunterreißt und ihm ins verblüffte Gesicht grinst.
»Zeit zu sterben«, verkündet mein jüngster Sohn. Ich will den Mund aufreißen, um eine Warnung zu rufen, als die Dirnen bereits loskreischen, denn unter dem Umhang hat Hercule blitzschnell einen Dolch hervorgezogen. Guast wirft die Arme hoch. Die Klinge glitzert und funkelt im Licht, ehe Hercule sie bis zum Schaft in Guasts Magen stößt.
Alles verstummt. Keuchend steht Hercule da; seine schwarzen Haare gesträubt. Ungläubig starrt Guast auf den Dolch in seinem Bauch. Aus der Wunde sickert schwarzes Blut, dann sackt er zu Boden.
Henris Schrei zerreißt die Luft. Während er vom Podest zur Mitte des Saals taumelt, gibt der Anführer der sechs Männer den anderen ein Zeichen, woraufhin sie Hercule mit sich fortzerren. Die Höflinge folgen in wilder Flucht zum Ausgang. Zurück bleibt ganz allein Henri.
Ich sehe ihn neben Guast auf den Boden sinken, ohne auf die Blutlache zu achten …
Mein Zimmer brach über mich herein wie eine Sturzflut. Ich befand mich auf den Knien, die Arme hilflos ausgebreitet. Lucrezia beugte sich über mich. Ihr Gesicht war kreidebleich und vor Angst verzerrt. »Hoheit, was ist mit Euch?«
»Gott helfe uns«, flüsterte ich. »Hercule hat Guast ermordet. «
Nach zwei anstrengenden Reisetagen erreichten wir den Louvre um Mitternacht. Die im Hof flackernden Fackeln waren machtlos gegen den dichten Nebel, der alles einhüllte. Nachdem wir aus der Kutsche gestiegen und Knechte herbeigestürzt waren, um unser Gepäck auszuladen, schickte ich Margot sofort in ihre Gemächer, während ich mich unverzüglich in den Palast begab.
Er wirkte völlig verlassen. Als ich durch die matt beleuchteten Gänge schritt, sah ich keinen einzigen Höfling vorbeieilen, noch hörte ich einen Laut. Unbeweglich und kalt hing die Luft über mir. Geleitet von den in regelmäßigen Abständen angebrachten Wandleuchten und den in der Säulenhalle stehenden Wachposten, gelangte ich zu den königlichen Gemächern, wo ich zu meiner Erleichterung Birago wach antraf.
»Ich harre hier aus, seit es geschehen ist«, erklärte er mit vor Erschöpfung starrer Miene. »Er hat sein Schlafgemach von innen verriegelt und lässt niemanden hinein.«
»Und Hercule …?«, flüsterte ich.
»Vom Hof geflohen.
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