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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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schöntat, wenige Plätze entfernt von seiner Gemahlin, die in das schmucklose Schwarz ihrer Glaubensgemeinschaft gekleidet war. Man sagte, sie habe versucht, Antoine zum Protestantismus zu bekehren, aber ohne Erfolg; als Antoine der Hofdame fast ins üppige Dekolleté fiel, tat Jeanne mir leid. Es war nicht zu übersehen, dass Antoine sich weder um die Religion noch sonst etwas kümmerte, was ihn von seinem Vergnügen abhalten könnte.
    Doch sie war so unnahbar, dass ich kaum je drei Worte mit ihr gewechselt hatte, und während ich überlegte, worüber ich mit ihr reden könnte, fiel mein Blick auf ihren kleinen Henri, den Kronprinzen von Navarra – ein sommersprossiger, stämmiger Bub, der ihr rotes Haar und seines Vaters grüne Augen und faunische Züge geerbt hatte. Er war sechs Jahre alt, ein Jahr älter als Margot; und als ich mich gerade fragte, wieso er nicht bei den anderen Kindern saß, drehte er sich zu mir um.
    Ich war gebannt von seinem Blick. In seinen neugierigen Augen, die noch nicht von Alter und Erfahrung getrübt waren, erkannte ich mich selbst, das Mädchen, das ich gewesen war; vorzeitig weltklug, aber noch unwissend, wie sehr die Welt sich verändern konnte. Eine Welle von Mitgefühl überkam mich bei dem Gedanken, wie überwältigt er von all der Pracht hier sein musste, also winkte ich ihn zu mir. Jeanne zuckte zusammen und wisperte ihm etwas ins Ohr; er zögerte einen Moment, bevor er aufstand und zu mir herüberkam.
    Er verneigte sich mit gestelzter Präzision, eingeschnürt in sein Festgewand, nur die roten Locken ungebändigt. Er war unter dem Zeichen des Widders geboren, erinnerte ich mich, und ich hatte ihm zur Taufe eine silberne Schale schicken lassen.
    »Mein Kind«, sagte ich sanft, »weißt du, wer ich bin?«
    »Ja.« Er starrte verlegen auf seine blank polierten Schuhe. »Ihr seid Tante Cathérine.«
    »Ganz recht. Komm, lass dich umarmen.«
    Während er fragend zu seiner Mutter schaute, stieg ich vom Podest und schloss ihn in die Arme. Sein kompakter kleiner Körper zitterte nicht, als ich ihn an mich drückte.
    Da überkam es mich auf einmal. Seit meiner Kindheit hatte ich so etwas nicht mehr erlebt; alles um mich her löste sich auf und ließ mich hilflos im Dunkeln zurück.
    Kanonendonner grollt durch ein rauchgeschwängertes Tal, wo verkohlte Bäume nur noch die traurigen Gerippe ihrer herbstlichen Kronen tragen. Ein Mann auf einem schwarzen Schlachtross, eine weiße Feder an seiner dunklen Kappe; sein Bart ist dicht und kup ferfarben, sein Gesicht wettergegerbt, mit langer Nase und aufge worfenen Lippen, kantigen Wangen und engstehenden Augen, vol ler Ehrgeiz und Zielstrebigkeit; er scheint über die Luft zu befehlen, die er atmet. Er sitzt, wie im Sattel geboren, auf dem Pferd, die Knie fest angedrückt, um dessen nervöses Tänzeln zu bezähmen.
    Ein Page kommt herangestürzt, in einer grünen Livree, die ein unbekanntes Wappen trägt.
    »Sie werden sich nicht ergeben«, keucht der Page, und der Mann blickt ungeduldig auf ihn hinab. Dann wirft er den Kopf zurück und lacht. Er sagt etwas, das ich nicht verstehen kann, und ich ver suche, näher heranzukommen, um ihn zu hören, doch er verblasst, verschwindet …
    Ich schreckte auf, sah mich verwirrt um, rang um Fassung und verspürte Übelkeit in der Kehle, kalten Schweiß unter meinen Kleidern; da hob der kleine Junge die Hand und berührte meine Wange. »Tante Cathérine?«, flüsterte er, und ich blickte in sein Gesicht und wusste, dass ich ihn gerade so gesehen hatte, wie er einst werden würde.
    Jeanne trat auf uns zu und zog ihn abrupt von mir fort. »Das reicht, Madame!« Ihre zornig funkelnden Augen waren auf das Kruzifix aus Perlen und Rubinen an meinem Mieder geheftet, das die Braut meines Sohnes mir geschenkt hatte.
    »Sie hat mir nichts getan«, sagte der kleine Navarra. »Sie riecht gut.«
    »Sie riecht nach Götzenverehrung«, gab sie zurück.
    Trotz der Mattigkeit, die stets mit meiner Gabe einherging, lachte ich ihr ins Gesicht. »Offenbar ändern manche Dinge sich nie. Ich wollte den Jungen willkommen heißen und fragen, ob er bei den anderen Kindern sitzen möchte. Er ist ein halber Valois, falls Ihr das vergessen habt; durch Euch ist er vom gleichen Blut wie sie.« Ich ignorierte ihre eisige Miene und beugte mich zu ihm vor: »Möchtest du deine Vettern kennenlernen?«
    Navarra sah hinüber zum Kindertisch. Ich dachte, er würde ablehnen, sich an seine Mutter klammern, die jeden seiner Schritte bewachte.

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