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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Kindheit. Woher wisst Ihr das?«
    »Es ist eine Binsenweisheit unter Hellsehern.« Er schwieg abwartend. »Habt Ihr noch eine Frage?«
    Ich widerstand dem Drang, um weitere Erläuterungen zu betteln. Er wirkte erschöpft. Später, sagte ich mir. Wenn ich ihn erst besser kenne, kann er mir alles erklären.
    »Wir sollten jetzt zu meinem Gemahl gehen«, sagte ich. »Er hat eine Fleischwunde. Und meine Kinder – ich wäre froh, wenn Ihr mir deren Horoskope erstellen könntet. Ihr werdet gut für Eure Dienste entlohnt.«
    Nostradamus neigte den Kopf. »Ich tue, was ich kann. Doch ich kann nicht lange bleiben.«
    Zu Docteur Parés Verblüffung kurierte Nostradamus Henris Beinwunde mit einem simplen Kataplasma aus Minze und Moder. Dann erstellte er die Horoskope unserer Kinder. Zum Glück kündeten die Diagramme von nichts Außergewöhnlichem, was mir nur recht sein konnte. Bei Hofe wurde er sofort als Sensation gefeiert, wie jeder Seher – bis zu seinem ersten Irrtum. Zu seinen Gunsten sei gesagt, dass Nostradamus sich weder von den Hofdamen, die ihm mit ihrem Liebeskummer in den Ohren lagen, noch von den geckenhaften Glücksrittern beeindrucken ließ. Doch wie mit allen Neuheiten, die sie nicht verstanden, hatten die Höflinge bald genug von ihm und er von uns.
    Ich bot an, ihn die Loire hinab zu begleiten, mit einer Zwischenstation in Chaumont, um Ruggieri zu treffen. Als wir dort ankamen, trat Nostradamus in die Halle und blieb wie angewurzelt stehen: In kostbaren, sternenbestickten scharlachroten Samt gewandet, flatterte Ruggieri die Treppe herab, dürr, zerzaust und fiebrig wie nur je, und küsste mir die Hand. Er strahlte den älteren Seher an. »Euer Ruf eilt Euch voraus.«
    »Tatsächlich?«, entgegnete Nostradamus trocken.
    Wir ließen uns geröstete Wachteln munden. Dann führte Ruggieri uns hinauf ins Observatorium, um durch sein Teleskop in den Himmel zu schauen. Er bestürmte uns, über Nacht zu bleiben, aber Nostradamus hob abwehrend die Hand. »Das kann ich nicht.«
    Cosimo Ruggieri schmollte. Nostradamus drehte sich auf dem Absatz um und stieg im Dunkeln die Wendeltreppe hinab. Aus Furcht, er könnte stolpern und sich den Hals brechen, griff ich nach einer Kerze und hastete ihm hinterher. Bis ich in der Halle ankam, war ich außer Atem und voller Spinnweben.
    Er eilte über den Hof zu meiner Sänfte, holte sein Bündel heraus und schlug die Kapuze hoch. »Seigneur!« Ich zupfte ihn am Ärmel. »Was hat das zu bedeuten? Ruggieri ist ein vertrauter Freund seit meiner Kindheit. Warum missachtet Ihr seine Gastfreundschaft?«
    Er wandte sich mir zu, gesichtslos unter der Kapuze. »Ich missachte seine Gastfreundschaft nicht; ich schlage sie aus. Ich kann nicht bleiben. Ich fühle mich hier nicht wohl.«
    »Nun, ich auch nicht, es ist nicht Blois, aber ich versichere Euch, die Laken sind sauber, die Böden gefegt.«
    »Nein«, sagte er, »ich fühle mich nicht wohl mit ihm. Ich muss fort.«
    Ich starrte ihn verdutzt an. »Hat er Euch gekränkt?«
    »Nein, Euch wird er kränken. Er wird Euch verraten.«
    Ich lachte nervös auf. »Ach was! Ich würde Cosimo mein Leben anvertrauen. Ihr seid müde. Lasst uns hineingehen. Wir trinken schönen heißen Wein, und …«
    »Meine Eingebungen trügen mich nie.« Er beugte sich zu meinem Ohr vor. »Er spielt mit dem Bösen. Und Böses wird er bewirken. Das ist sein Schicksal.«
    Ich griff mir an die Kehle. »Ihr glaubt also wirklich, Cosimo …?«
    »Ich verschweige die Wahrheit nie, auch wenn sie noch so schmerzlich ist. Solltet Ihr mich zu sehen wünschen, schickt nach mir in meiner Heimstatt in Salon.« Ein Lächeln spielte kurz um seine Lippen. »Oder vielleicht komme ich zu Euch, wenn es notwendig werden sollte.«
    Unsicher, wie ich antworten sollte, und besorgt darum, dass er sich mit seiner Wahrheitsliebe leicht in den Kerker bringen könnte, zog ich einen Ring vom Finger, mit einem Jaspis, der mein Siegel trug. »Falls irgendwer versucht, Euch übel mitzuspielen, sagt dem, Ihr ständet unter dem persönlichen Schutz der Königin von Frankreich.«
    Er steckte den Ring ein. Ich stand dort im Mondlicht, während er sein Bündel schulterte und auf die Straße hinaustrat. Ich dachte, ich würde ihn nie wiedersehen, und wusste nicht, ob ich es wollte. So faszinierend er auch war, er hatte eine Saite in mir zum Klingen gebracht, die ich nicht zu hören wünschte.

15
    Wolkenlos strahlte der Himmel an dem Tag der ersten Prinzenhochzeit, die seit über einem Jahrzehnt in

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