Die florentinische Prinzessin
Schotte. Le Balafré musterte ihn von oben herab und nickte. Sogar von einem Rangniederen herausgefordert, würde er sich nicht als Feigling erweisen.
Montgomery bestieg einen Schimmel. Guise und er nahmen Aufstellung an beiden Enden des Parcours und stürmten los. Mit einem jähen Lanzenschwung schlug Montgomery gegen Guises Schild und beförderte den Herzog aus dem Sattel. »Foul!«, brüllten die Zuschauer. »Noch mal!«
Doch es konnte keine Wiederholung geben. Le Balafré war überwältigt worden, und der nächste Trompetenschall verkündete, dass nun mein Gemahl, der König, den Sieger herausfordern würde.
Ich richtete mich in meinem Sessel auf. Wäre dies das Kolosseum gewesen, hätten sie die Löwen auf Montgomery losgelassen. Aber Henri war ein standhafter Sportsmann und gab durch ein Zeichen zu erkennen, dass er gegen den Sieger antreten würde.
Strahlend in seiner goldenen Rüstung galoppierte er auf seinem Apfelschimmel ins Feld. Kraftvoll sah er aus, jünger als seine vierzig Jahre, als er zum Ende des Parcours ritt und sein Visier herabließ. Stille senkte sich auf die Zuschauer. Die Herolde bliesen ihr Signal, und König und Capitaine stürmten aufeinander zu.
In dem Augenblick fielen mir die Worte wieder ein, die vier Jahre zuvor in Blois gefallen waren.
Der junge Löwe wird den alten im Zweikampf besiegen.
Es hob mich aus dem Sessel. Alles lief auf einmal verlangsamt ab; wie durch eine Lupe sah ich die Erdklumpen, die die Hufe der Pferde aufwarfen, hörte das Knirschen der Rüstungen, spürte die Spannung in der Luft. Ich riss den Mund auf, doch ein Krachen übertönte meinen Schrei, als die Lanze mit voller Wucht auf Metall prallte.
Der Applaus brach ab. Henri wurde aus dem Sattel gehoben und verlor seine Lanze. Die Reitknechte stürzten auf ihn zu, und ich sah seinen Fuß sich im Steigbügel verfangen, während er hinabglitt. Die Männer fingen ihn auf. Ringsumher herrschte betroffenes Schweigen.
Der erste Schrei kam von Mary – ein markerschütterndes Geheul, das stundenlang nachzuhallen schien. Ich taumelte von der Empore, vorbei an erstarrten Höflingen aufihren Tribünensitzen. Atemlos erreichte ich den Kampfplatz, wo die Edelleute mir Henri entgegentrugen. Seinen Helm hatte er noch auf, das Visier unter der Stirn eingedrückt. Sie legten ihn auf eine Bank und machten sich an dem Helm zu schaffen. Ich blickte zurück auf den Platz. Montgomery stand da wie erstarrt, die zerbrochene Lanze noch in der Hand.
Henri stöhnte auf, als der Helm ihm vom Kopf genommen wurde. Ich schlug die Hand vor den Mund, um meinen eigenen Entsetzensschrei zu ersticken.
Er wird sein Auge in einem goldenen Käfig durchstoßen.
Das Gesicht meines Gemahls war weiß; Blut war kaum zu sehen.
Aus seinem rechten Auge ragten die Splitter von Montgomerys Lanze.
17
Wir brachten ihn zum Palast zurück, wo ich an seinem Bett stand, während Docteur Paré die Wunde untersuchte. Henri war ohnmächtig geworden, so fahl, dass sich blaue Adern unter seiner Haut abzeichneten. Paré bereitete ein Kataplasma aus Mohnsamen zu und applizierte es auf dem verletzten Auge, bevor er den herausragenden Splitter vorsichtig mit Gaze umwickelte. Dann winkte er mich und Monseigneur ins Vorzimmer.
»Na?«, blaffte der Kardinal. Seine sonst so gedämpfte Stimme klang seltsam schrill. »Wird er leben?«
Ich fuhr zu ihm herum. »Wie könnt Ihr es wagen? Das ist Hochverrat!«
Er musterte mich verächtlich und zerstreute damit alle Zweifel, die ich bezüglich seines Wesens noch gehabt haben könnte. »Madame«, sagte er, »wir müssen das Wohl des Reiches bedenken. Die Wunde Seiner Majestät könnte tödlich sein.« Er sprach ohne sichtbare Gefühlsregung, als sei Henri irgendein Köter, der unter die Räder seiner Kutsche geraten war.
Meine Wut, die bei allem, was die Guises betraf, stets dicht unter der Oberfläche schwelte, drohte mich zu ersticken. Ich wollte ihn gerade hinausbeordern, als Paré sagte: »Monseigneur, die Verletzung ist zwar schwer, aber nicht unbedingt tödlich. Wir müssen erst den Splitter entfernen, ehe wir das Ausmaß des Schadens ermessen können.«
Es lief mir kalt über den Rücken. Ich hatte Gefahr vorhergesehen, aber niemals gedacht, dass es Henri treffen könnte. Ich wandte mich ab von Monseigneurs berechnendem Blick. »Wir müssen alles tun, was wir können«, sagte ich zu Paré und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme zitterte. »Das Leben Seiner Majestät liegt in unseren Händen. Vielleicht
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