Die florentinische Prinzessin
Frankreich und würde immer meine Tochter sein, doch in dem Moment hatte sie aufgehört, mir zu gehören.
Nun gehörte sie Spanien.
Als Nächstes mussten wir auch noch die Festlichkeiten anlässlich der Vermählung von Filbert und Marguerite über uns ergehen lassen. Königliche Hochzeiten sind langwierige Prozeduren, und Henri hielt es für das Beste, erst einmal ein Turnier zu Ehren Elisabeths abzuhalten, um die beiden Hochzeiten nicht zu dicht aufeinanderfolgen zu lassen; in eine neue, goldgeprägte Rüstung gekleidet, wollte Henri sich dann mit dem Gewinner des Turniers messen.
Ich meinerseits kümmerte mich um meine Kinder. Ich musste François besänftigen, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, ebenfalls am Turnier teilzunehmen. Ihn in voller Rüstung in der Mittagssonne auf einem Streitross herumgaloppieren zu lassen, war undenkbar; er hatte wieder Ohrenschmerzen gehabt und war noch rekonvaleszent, und ich musste ihn von seiner unsinnigen Idee abbringen. Dann begab ich mich zu Elisabeth, deren scharlachrote Brokatrobe noch ein paar Veränderungen benötigte, und von dort aus zu Margot, Charles, Henri und dem kleinen Hercule. Um Mitternacht war ich erschöpft. Ich taumelte in meine Gemächer, entkleidete mich in schläfriger Benommenheit und fiel ins Bett. In jener Nacht träumte ich.
Ich treibe durch einen schwarzen Tunnel, ich kann nichts Festes fühlen, und es ist dunkel, stockdunkel wie in der schrecklichen End gültigkeit des Grabes. Die völlige Abwesenheit von Empfindun gen erstickt mich; ich möchte schreien, doch ich habe keine Stimme. Eine Flamme leuchtet in der Ferne auf. Sie zieht mich zu sich hin, brennt immer höher, immer näher, warnt mich vor etwas Unaus weichlichem …
Lucrezia rüttelte mich wach. »Madama!«
Ich wand mich aus den verschwitzten Laken, verwirrt, schwindlig, fast seekrank. Ich kannte das Gefühl; es war das gleiche wie in dem Moment, als ich den kleinen Prinzen von Navarra umarmt hatte. Es war meine Gabe. Und dann hörte ich Nostradamus, als befände er sich mit mir im selben Raum: Ich werde niemals die Wahrheit verhehlen …
Ich drängte mich an meiner besorgten Freundin vorbei. »Ich muss sofort meine Briefe durchsehen.«
Der Stapel türmte sich vorwurfsvoll auf meinem Pult. In der Geschäftigkeit der letzten Wochen hatte ich meine Korrespondenz vernachlässigt. Während Lucrezia die Kerzen anzündete, zog ich einen Stuhl heran und begann, eilig die Papiere zu überfliegen und zu Boden fallen zu lassen. Die Botschaft war hier; ich konnte es spüren. Ich ignorierte die Nachrichten von Provinzgouverneuren und Bittschriften für wohltätige Zwecke, schob die Depeschen aus Florenz und Venedig beiseite, während ich fieberhaft, atemlos weitersuchte.
Dann sah ich ihn: einen Umschlag mit dem Siegel meines Wappenrings. Das war sein Brief.
Ich öffnete ihn. Seine Worte waren kurz und knapp: Eure Hoheit müssen achtgeben. Denkt an die Prophezeiung.
Er hatte mir eine Warnung zukommen lassen.
»Dio mio.« Ich sah zu Lucrezia auf. »Etwas Furchtbares steht uns bevor.« Der Brief glitt mir aus den Fingern. »Aber ich kann mich nicht an die Prophezeiung erinnern. Nostradamus hat mir mehrere verkündet, als er bei mir war. Ich habe nicht einmal das Buch hier, das er mir gab. Es ist in meinem Kabinett in Blois geblieben.«
Den Rest der Nacht ging ich ruhelos auf und ab, während meine Damen verschlafen Wache hielten. Sobald die Dämmerung anbrach, stürmte ich hinaus in die Korridore, wo niedere Höflinge schnarchend in den Ecken und Fensternischen lagen und unsere Katzen auf Mäuse lauerten.
Henri und ich residierten in verschiedenen Flügeln des Schlosses. Diane suchte ihn manchmal noch in seinen Räumen auf, und ich ging nie zu ihm, ohne mich vorher anzumelden. Doch heute Morgen würde sie nicht da sein. Heuchlerisch wie eh und je, hielt sie sich bei offiziellen Anlässen im Hintergrund. Trotzdem fand ich meinen Gemahl inmitten einer Menge von Sekretären und Pagen vor, in linnenen Unterhosen auf einem Schemel stehend, den Brustpanzer seiner neuen Rüstung schon vorgeschnallt, während der Kammerherr ihm die Beinlinge anpasste. Le Balafré saß in einem Sessel, die langen Beine lässig ausgestreckt. Als er mich sah, zuckte die Narbe in seinem hageren Gesicht. Zuneigung hatte zwischen uns noch nie bestanden; seit meiner Ankunft in Frankreich behandelte er mich mit Verachtung.
Ich blickte über ihn hinweg, sodass er gezwungen war, sich aus dem Sessel zu erheben und zu
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