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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Auge?« Ich starrte ihn an. »Soll das heißen, das ist alles, was wir tun können?«
    Paré nickte betrübt. Ich wandte mich meinem Gemahl zu. Blut und Eiter sickerten schon wieder durch den Verband. Als ich nach seiner Hand fasste, öffnete sich plötzlich sein unverletztes Auge. Ich beugte mich ganz nah zu seinen ausgetrockneten Lippen vor.
    »Marguerite«, wisperte er, »ihre … Hochzeit … kümmere dich darum.«
    Hinter mir hörte ich ein Aufschluchzen. Ich brauchte Marguerite nicht anzusehen, um zu wissen, dass auch sie der Verzweiflung erlegen war.
    Um Mitternacht vermählte sich Monseigneur Filbert von Savoyen mit Marguerite. Es gab keine Feier. Ich umarmte sie beide, wünschte ihnen mit matter Stimme Glück und kehrte zu Henri zurück.
    Draußen vor seiner Tür begann schon der Streit um die Macht. Ich wusste, dass die Guises und ihre Speichellecker sich im Verborgenen trafen und Allianzen schmiedeten. Ihre Intrigen ließen mich kalt, nicht weil sie mir gleichgültig waren, sondern weil ich ohnehin nichts dagegen tun konnte, selbst wenn ich die Kraft dazu gehabt hätte.
    Mein Gemahl, mit dem ich sechsundzwanzig Jahre lang gelebt hatte, entglitt mir unwiderruflich, und alles, was ich tun konnte, war zusehen, unfähig, ihn gegen die Feinde von innen und außen zu verteidigen.
    Einer nach dem anderen kamen sie, um Abschied zu nehmen. Unser Sohn François an Marys Hand, ein unreifer Junge von fünfzehn Jahren und ein siebzehnjähriges Mädchen, deren behütetes Leben nun in Scherben lag. Tränenüberströmt stammelte François, er wolle nicht König werden; er wolle nicht, dass sein Vater stürbe. Mary nahm ihn in die Arme und warf mir einen bangen Blick zu. Ich fragte mich, ob die Guises ihr wohl schon mit der Schwere der Verantwortung als zukünftige Königin Angst gemacht hatten, damit sie eher bei ihnen Rat suchte als bei mir.
    Blass, aber gefasst, gab Elisabeth ihrem Vater einen Abschiedskuss und begab sich dann wieder zu den jüngeren Geschwistern, die ich zum Louvre hatte bringen lassen. Charles weinte untröstlich nach seinem Papa und umklammerte den Jagdhundwelpen, den Henri ihm geschenkt hatte. Ich wollte sie nicht dem Anblick ihres gequälten Vaters aussetzen; ich schrie Paré an, bis er Henri so viel Opium gab, dass es ein Pferd umgehauen hätte.
    Doch er starb noch immer nicht.
    Er kämpfte wie der Soldat, der er stets gewesen war, während das Fieber anstieg. Manchmal kam er zu sich und keuchte, man solle François II. zu seinem Nachfolger ausrufen lassen. Dann liebte ich ihn mehr denn je; er hatte wie ein König gelebt und würde wie ein König sterben, bis zuletzt darauf bedacht, dass Frankreich nicht mit ihm unterging.
    Ich war am Ende bei ihm, an einem Julinachmittag von unbändiger Schönheit. Er delirierte seit geraumer Zeit, murmelte unzusammenhängende Worte. Als ich mich neben ihn kniete, wandte er mir den Kopf zu und sah mich mit klarem Blick an. Das Fieber hatte nachgelassen, auf dass er noch einmal er selbst sein könne.
    Seine rissigen Lippen öffneten sich. Er hauchte nur ein Wort: »Cathérine.«
    Dann schloss er die Augen. Und verließ mich.
    Ich überließ seinen Leichnam den Einbalsamierern, die sein Herz entnehmen würden, um es in dem Alabasterschrein an unserem unvollendeten Grab in Saint-Denis beizusetzen. Ich überantwortete ihn der klagenden Dienerschaft, die ihn jahrelang umsorgt hatte, und dem Konnetabel Montmorency, der am Totenbett Wache hielt, und seinen Bestattern, den Guises, die sich mit absichtsvoller Hast in Weiß gehüllt hatten.
    Durch Korridore, die noch von seinen Schritten widerhallten, kehrte ich in meine Gemächer zurück. Meine Frauen erhoben sich alle auf einmal, alle mit rot geweinten Augen. Lucrezia streckte mir den Arm entgegen. Etwas in meinem Blick ließ sie innehalten. Sie sah wohl, dass ich bei der ersten liebevollen Berührung zusammenbrechen würde.
    Ich ging allein in mein Schlafgemach. Mir war, als wäre ich hundert Jahre fort gewesen. Alle meine Besitztümer befanden sich hier: meine venezianischen Silberbürsten mit dem verschlungenen HC auf dem Griff, Phiolen mit Parfüm oder Salben, die Bilder meiner Kinder an der Wand. Ich sah das alles, nahm es wahr, und doch kam es mir vor, als hätte ich mich an einen fremden Ort verirrt.
    Blind vor Tränen presste ich die Hand auf den Mund.
    Da vernahm ich ein Rascheln, ein Scharren von Absätzen, und sah sie aus dem Schatten neben dem Bett treten. Hätte sie einen Dolch gezückt, ich hätte mich

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