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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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verneigen.
    Henri sah müde aus; die Wangen unter dem Bart wirkten eingefallen. »Ja, Cathérine?«, sagte er nur, als ob mein unangekündigtes Erscheinen in seinen Gemächern nichts Besonderes sei.
    »Hoheit«, sagte ich, »können wir kurz unter vier Augen sprechen?«
    Er deutete in die Runde. »Wie Ihr seht, bin ich gerade beschäftigt. Hat es denn nicht Zeit?«
    »Nein.« Ich spürte Guises gehässigen Blick. »Ich fürchte, es ist von äußerster Dringlichkeit.«
    »Jaja, wie alles«, seufzte Henri und winkte seinen Kammerherrn beiseite. Einer der Beinlinge saß nicht richtig. Er stieg vom Schemel.
    »Abgesehen davon, dass diese Anproben mir den letzten Nerv rauben«, knurrte er, »habe ich einen Berg von Schriftstücken zu unterzeichnen, den englischen Botschafter zu empfangen, Alba zu treffen, und natürlich auch noch die Liste der Turnierteilnehmer zu inspizieren. Was kann da so dringend sein?«
    »Ich bin hier, weil … ich glaube, wir sind in Gefahr.«
    Er runzelte die Stirn. »In Gefahr? Inwiefern?«
    »Ich weiß nicht.« Ich rang die Hände; mir war bewusst, wie ich mich anhörte. »Ich hatte heute Nacht einen Traum …« Ich stockte. Ich sah die Ungläubigkeit in seinen Augen. »Bitte, hört mich an. Ich fürchte für jemanden, der uns nahesteht, vielleicht gar aus der eigenen Familie.«
    Er ließ sich auf den Stuhl am Schreibtisch fallen und griff hinunter, um die Halterungen des Beinlings zu öffnen, der klirrend zu Boden fiel. Wegen des Brustpanzers konnte er sich nicht zurücklehnen, sodass er steif und unbequem dasaß. »Also gut, ich höre zu. Aber der Sekretär wird gleich zurückkommen, und ich werde ihn kein zweites Mal wegschicken können. Er belästigt mich schon den ganzen Morgen.«
    Ich erzählte ihm von dem Traum und dem Brief von Nostradamus. Fast wäre ich auch noch mit meinen eigenen früheren Vorahnungen herausgeplatzt; aber da ich nie von meiner Gabe gesprochen hatte, nahm ich an, er würde es kaum gutheißen, dass seine Frau okkulte Fähigkeiten besaß.
    Als ich geendet hatte, faltete er die Hände unter dem Kinn. »Und Ihr meint, Euer Traum und diese Prophezeiung besagen, dass uns Gefahr droht?«
    »Ja.« Ich war erleichtert, dass er mich nicht auslachte. »Wenn Ihr Euch entsinnt, er hat Euer Bein kuriert. Und er sagte, er würde mir Bescheid geben, wenn es nötig wäre.«
    »Cathérine«, sagte er ohne jeden Anflug von Spott, »das ist doch absurd. Ihr seid wegen Elisabeth überreizt. Sie muss bald nach Spanien aufbrechen, und Ihr macht Euch Sorgen um sie.«
    »Nein, Ihr versteht nicht. Sein Brief wurde schon vor Wochen abgesandt. Ich habe nur meines Traumes wegen nach ihm geschaut. Es ist eine Warnung. Er hat mir seine Prophezeiungen in ein Buch geschrieben, das er mir in Blois gegeben hat. Aber ich habe es dort in meinem Kabinett liegen lassen. Wir müssen danach schicken.«
    Er sah mich an, als ob ich von Sinnen wäre. »Nach einem Buch schicken? In kaum drei Stunden werden wir ein Turnier zu Ehren der Vermählung unserer Tochter mit dem König von Spanien abhalten.«
    »Das können wir immer noch tun. Schickt einfach einen Vertrauten an die Loire …«
    »Cathérine.« Er hob nicht die Stimme, doch ich konnte seine Ungeduld heraushören. »Blois ist zurzeit geschlossen, wie Ihr wisst. Mein Kämmerer hat die Schlüssel zu unseren Räumen, und er hat weiß Gott genug zu tun, ohne dass ich ihm auch noch so einen schwachsinnigen Auftrag gebe.«
    »Es ist kein …«
    Er hob die Hand. »Ihr verlangt von mir, einen getreuen Diener nach Blois zu schicken, im besten Fall einen Tagesritt, um ein Buch zu holen, das er nie gesehen hat. Ihr habt Hunderte von Büchern in Eurem Kabinett. Wie soll er da je das eine finden, das Ihr haben wollt?«
    Daran hatte ich nicht gedacht. Ich hatte überhaupt nicht nachgedacht, aber das wollte ich ihm gegenüber nicht zugeben. Ich straffte die Schultern, kämpfte gegen ein Aufwallen unerklärlicher Verzweiflung an. »Dann hole ich es eben selbst. Lasst mir die Schlüssel bringen. Ich nehme Lucrezia und einen Wächter mit. Heute Abend werde ich zurück sein.«
    »Und das Turnier versäumen, in dem ich den Sieger herausfordern werde?« Er musterte mich aus schmalen Augen. »Das ist nicht Euer Ernst. Es war nur ein Traum, Cathérine. Nichts Schlimmes wird geschehen, wenn Ihr das Buch nicht holt.«
    Plötzlich befielen mich selbst Zweifel. Er hatte recht; es war nur ein Traum. Ein Traum und ein kryptischer Brief von jemandem, den ich kaum kannte und dessen

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