Die Flotte von Charis - 4
Gedächtnis zurückrief, dass Seahamper nun einmal nicht auf so etwas wie SNARCs zurückgreifen konnte.
Nun erhaschte Merlin gerade Seahampers Blick; die beiden nickten einander zu, dann mühten sie sich so diplomatisch wie nur irgend möglich, ihre jugendlichen Schützlinge aus dem Palast und zu der schon bereitgestellten Kutsche zu führen.
Und natürlich, dachte Merlin sardonisch, zu den restlichen Leibgarden. Die kurze Strecke vom Palast zur Kathedrale legten sie ohne jeglichen Zwischenfall zurück − was auch damit zusammenhängen mochte, dass einhundertfünfzig handverlesene Mitglieder der Royal Guards die Kutsche als ›Ehrengarde‹ umringten. Doch diese Gardisten boten keinen Schutz vor dem ohrenbetäubenden Jubel, der aus allen Richtungen gleichzeitig zu ertönen schien. Wie wild wurden Banner in den Farben von Charis und Chisholm gleichermaßen geschwenkt, neugierige Zuschauer beugten sich aus weit geöffneten Fenstern, jubelten und winkten; die Straße, über die der prächtige Vierspänner nun hinabrollte, war von Blütenblättern bedeckt, und ständig rieselten weitere Blätter auf das Brautpaar hinab, wie zarter Schnee in allen Farben des Regenbogens. Angesichts des Feuereifers, mit denen die Bürger von Charis hier die Straße säumten, die vom Palast geradewegs zur Kathedrale führte, erschienen die Sicherheitsvorkehrungen, die Merlin und Seahamper getroffen hatten, beruhigend unnötig. Während Merlin keinen Augenblick daran zweifelte, dass es irgendwo in diesem wirbelnden Chaos einer jubelnden, pfeifenden, rufenden Menschenmenge auch einige wenige gab, die angesichts der Vorstellung dieser Eheschließung − und dessen, was sie bedeutete − empört und erbost waren, schien doch niemand töricht genug − oder selbstmörderisch genug −, am Tage von Caylebs Hochzeit auf sich aufmerksam zu machen.
Nicht dass Merlin oder Seahamper die Absicht hatten, sich irgendeine Blöße zu geben.
An der Kathedrale angekommen, wurden König und Königin rasch und effizient zu ihren Plätzen auf der königlichen Empore geleitet. Dort warteten Kronprinz Zhan und Prinzessin Zhanayt bereits auf sie, und Herzog Darcos, im himmelsblauen Kasack der Paradeuniform eines Midshipman der Royal Navy, war es tatsächlich gelungen, doch noch rechtzeitig zur Hochzeit nach Tellesberg zurückzukehren.
Doch an diesem Tage befanden sich noch drei weitere Personen in der königlichen Loge, und Adorai Dynnys und ihre Söhne erhoben sich, als Cayleb und Sharleyan eintraten. Passend zum Anlass, war Erzbischof Erayks Witwe deutlich aufwendiger gekleidet als am Tag ihrer Ankunft in Tellesberg, wenngleich sie immer noch dunkle Farben trug, und ihre Söhne wirkten mittlerweile deutlich weniger verängstigt. Doch der Blick der Jungen war immer noch düster − das kam daher, dass ihre Mutter ihnen berichtet hatte, wie ihr Vater gestorben war. Und sie waren nicht die Einzigen, die diesen herzzerreißenden Bericht mit angehört hatten. Auf Adorais ausdrückliche Bitte hin hatte Maikel Staynair ihr persönlich die Kanzel der Kathedrale überlassen, und das gewaltige Kirchenschiff war bis zum Bersten angefüllt gewesen, als die Witwe des ehemaligen Erzbischofs von Charis nicht nur ihren Söhnen von der entsetzlichen Hinrichtung ihres Ehemannes erzählte, sondern dem gesamten Königreich Charis.
Nicht alle Charisianer hatten Erayk Dynnys sonderlich geschätzt, doch als das Volk erfuhr, wie ihr einstiger Erzbischof gestorben war − und wie seine letzten Worte gelautet hatten −, stimmten selbst zahlreiche seiner zuvor ärgsten Kritiker mit ein, als ihr neuer Erzbischof für Dynnys’ Seelenheil betete. Und einige Mitglieder des Klerus von Charis, die bislang ihren neuen Erzbischof und die neugeborene ›Kirche von Charis‹ bestenfalls halbherzig unterstützt hatten, sahen sich mit einem Mal gezwungen, angesichts dieser Gräueltaten, die ihr alter Erzbischof hatte erleiden müssen, ihre Positionen gründlich zu überdenken.
Doch an diesem Tag herrschte eine gänzlich andere Atmosphäre in der Kathedrale von Tellesberg. Als Cayleb und Sharleyan an die Brüstung der königlichen Empore traten, übertönte der Jubel der Hochzeitsgäste sogar die laute Orgel und die Stimmen des Chors. Das gewaltige Gebäude schien fast zu erzittern, und der Jubel verdoppelte sich noch, als König und Königin die Hände hoben, um die lautstarke Begrüßung durch ihre Untertanen zu erwidern.
Es dauerte eine Weile, bis sich der Jubel endlich legte. Dann,
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