Die Flotte von Charis - 4
vor allem, wenn man hinreichend überzeugend den Eindruck erwecken könnte, es sei von Charis ausgegangen −, deutlich effektiver nutzen als einen ›lebendigen Hektor‹. Nachdem seine Flotte vollständig aufgerieben ist und wir jederzeit in sein Reich einmarschieren können, wann immer uns das beliebt, ist Hektor für die ›Vierer-Gruppe‹ schwerlich noch von militärischer Bedeutung − und es ist völlig unmöglich, dass die ›Ritter der Tempel-Lande‹ ihm zu Hilfe eilen würden, selbst wenn das ihr Wunsch wäre. Da er also als ›lebendiger Verbündeter‹ mittlerweile wertlos geworden ist, sollte zumindest jemand wie Kanzler Trynair sehr rasch begreifen, welchen Wert er hätte, wenn er als ›Märtyrer für die Kirche‹ stirbt − hinterrücks gemeuchelt von mordlüsternen Attentätern aus Charis.«
Kurz dachte Nahrmahn darüber nach, dann nickte er.
»Ich verstehe, was Sie meinen, Mein Lord«, bestätigte er und versuchte nicht einmal abzustreiten, dass er tatsächlich genau die Anweisungen erteilt hatte, von denen Wave Thunder hier sprach. »Zu diesem Zeitpunkt habe ich mir, aus offensichtlichen Gründen, deutlich weniger Sorgen darüber gemacht, wie Hektors Ableben sich auf Charis auswirkt, als darüber, wie ein plötzlich entstehendes Machtvakuum in Corisande möglicherweise die Aufmerksamkeit der Charisianer dorthin lenken könnte − und damit fort von mir. Offensichtlich erfordert dieser Teil meiner Überlegungen angesichts der neuen Vereinbarungen beträchtliches Überdenken.«
»Oh, das zweifellos, Euer Hoheit«, pflichtete Wave Thunder ihm bei und lächelte. »Und diese Bemerkung mit dem ›Überdenken‹ bringt mich zu dem letzten Punkt, der in dieser Besprechung betrachtet werden soll. Wisst Ihr, Prinz Nahrmahn, Kaiser Cayleb glaubt nicht, dass Ihr überhaupt in der Lage sein werdet, gänzlich vom Ränkespiel und den Intrigen abzulassen. Ach …« Der Charisianer hob die Hand und wedelte damit, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. »Das bedeutet natürlich nicht, er vermute, Ihr wäret geneigt, diesen Eid zu brechen, den Ihr gerade erst geleistet habt. Es bedeutet nur, dass Ihr seid, wer Ihr nun einmal seid, Euer Hoheit, und genau so funktioniert nun einmal Euer Denken. Und mehr noch, Ihr seid sehr gut darin − ungleich besser, als Hektor auch nur ansatzweise vermutet −, und es wäre töricht von Seiner Majestät, ein derart scharfes, wunderbar nutzbares Schwert einfach durch den Verzicht, es auch zu gebrauchen, bis zur Nutzlosigkeit einrosten zu lassen. Deswegen hat er einen Vorschlag, den zu überdenken er Euch bittet.«
»Was für einen Vorschlag, Mein Lord?«, erkundigte sich Nahrmahn und kniff nachdenklich die Augen zusammen.
»Seine Majestät wünscht, und Ihre Majestät stimmt mit ihm überein, dass ich weiterhin hierbleibe und meine bisherige Funktion als Leiter der Spionageabteilung von Charis erfülle. Das ist vor allem aufgrund der Tatsache sinnvoll, dass ich zugleich auch für die innere Sicherheit unseres Staates und für jedwede Ermittlungen zuständig bin. Angesichts der Gefahr innerer Unruhen, die durch diese Spaltung der Kirche hervorgerufen werden könnten, ist dies kaum der geeignete Zeitpunkt, mich nicht weiterhin um genau diese Angelegenheiten zu kümmern.
Aus dem gleichen Grund wünschen Ihre Majestäten auch, dass Baron Shandyr weiterhin seiner bisherigen Tätigkeit in Emerald nachgeht, und für Sir Ahlber Zhustyn in Chisholm gilt das Gleiche. Daraus jedoch ergibt sich eine klaffende Lücke, und Ihre Majestäten ziehen in Erwägung, Euch zu bitten, eben diese Lücke auszufüllen.«
»Das kann unmöglich Ihr Ernst sein, Mein Lord!«, gab Nahrmahn zurück. Wave Thunder neigte den Kopf zur Seite und hob eine Augenbraue. Nahrmahn schüttelte den Kopf. »Es ist gerade erst drei Tage her, dass ich Cayleb die Treue geschworen habe, und weniger als drei Jahre, dass ich versucht habe, ihn durch ein Attentat aus dem Weg zu räumen. Was auch immer Cayleb sonst sein mag, er ist weder ein Idiot noch ein Narr!«
»Damit habt Ihr absolut recht, das ist er wirklich nicht«, pflichtete Wave Thunder ihm bei. »Dennoch schlagen er und Kaiserin Sharleyan genau das vor, was Ihr gerade gedacht haben müsst. Das Kaiserreich wird einen Leiter der imperialen Spionageabteilung benötigen − und Ihr, Euer Hoheit, zeigt sowohl die Befähigung als auch den Rang und die Autorität, diesen Posten vortrefflich auszufüllen.«
»Aber doch nur, wenn Cayleb mir trauen kann!«,
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