Die Flotte von Charis - 4
hören musste, doch sie nickte nur.
»Und wo wir gerade von der Thronfolge sprechen …«, setzte Hektor den Gedankengang fort und mühte sich nach Kräften, deutlich gelassener zu klingen, als er sich nun dem Grafen Coris zuwandte. Der Graf hatte während des kurzen Gespräches zwischen dem Prinzen und seiner Tochter schweigend auf der anderen Seite des Regenten im Sattel gesessen. »Gibt es schon neue Hinweise darauf, wer hinter diesem Attentatsversuch steckt?«
»Nein, Mein Prinz«, gestand Coris. »Meine Agenten haben jeden Ladenbesitzer, Straßenhändler und Bettler in ganz Manchyr befragt, um irgendwelche Zeugen zu finden, die möglicherweise in der Lage wären, die Attentäter zu identifizieren oder uns zu berichten, wohin sie nach dem Angriff verschwunden sind. Wir haben sogar versucht − allerdings erfolglos −, den Hersteller der Armbrüste zu finden, weil wir gehofft hatten, er könne sich vielleicht noch daran erinnern, an wen er sie verkauft hat. Das Einzige, was ich Euch mit absoluter Sicherheit berichten kann, ist, dass die Markierungen daran nicht aus Corisande stammen.«
»Ach, nicht?« Nachdenklich rieb sich Hektor das Kinn. »Das ist interessant. Haben wir schon irgendeine Vorstellung davon, woher sie stammen, wenn nicht von uns?«
»Ich vermute, dass sie aus Harchong stammen, Mein Prinz. Bedauerlicherweise liegt Harchong weit außerhalb unseres normalen Interessensgebietes. Ich versuche gerade, die Herkunft der Waffen verifizieren zu lassen, bislang aber noch ohne Erfolg.«
»Aber sie stammen nicht aus Corisande, und sie wurden in einer Gegend hergestellt, die weit genug abgelegen ist, dass es Euch schwerfällt, den Hersteller überhaupt zu identifizieren«, beteiligte sich Irys nun an dem Gespräch, und ihre haselnuss-braunen Augen wirkten ebenso nachdenklich wie die ihres Vaters. »Das ist von sich aus doch bedeutsam, meinen Sie nicht auch?«
»Möglicherweise.« Coris nickte. »Genau dieser Gedanke war mir auch schon gekommen, Hoheit. Fremdartige Waffen, schwer zurückzuverfolgen, legen durchaus den Schluss nahe, dass Ausländer dieses Attentat sorgfältig vorbereitet haben könnten. Aber ich bin der Ansicht, wir sollten in dieser Hinsicht keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich will damit nicht abstreiten, dass ich selbst zu genau den gleichen Überlegungen tendiere, die auch Ihr gerade vorgeschlagen habt, aber ich möchte mich auf keinen Fall anderen Möglichkeiten gegenüber verschließen.«
»Das verstehe ich, Mein Lord.« Irys lächelte ihn an. »Und ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mich daran erinnert haben, auch andere mögliche Täter in Betracht zu ziehen, nicht nur Cayleb.«
»Falls es außer euch beiden im ganzen Fürstentum irgendwo noch jemanden gibt, der an einen anderen als Cayleb für den Drahtzieher hält, dann weiß ich zumindest nichts davon«, merkte Hektor mit einem schiefen Grinsen an.
»Gut!« Irys wandte sich von Coris ab und ließ in einem breiten Grinsen ihre Zähne aufblitzen. »Wenn es Cayleb wirklich nicht gewesen sein sollte, dann werde ich gewiss keine bitteren Tränen vergießen, wenn alle anderen ihn trotzdem für den Schuldigen halten. Und anhand der Reaktionen, die ich bislang miterlebt habe, hat die Vorstellung, irgendjemand könne tatsächlich versucht haben, dich zu ermorden, bei einigen deiner Untertanen beträchtliche Empörung ausgelöst, Vater.«
»Es ist schon erstaunlich, wie so ein Attentat durch Fremde ein ganzes Volk dazu bringen kann zu vergessen, dass sie durchaus eigene Gründe haben, über ihren eigene Prinzen … verstimmt zu sein, nicht wahr?«, bemerkte Hektor und lachte leise.
Seine Tochter legte die Stirn in Falten, und sein Lachen wurde noch lauter.
»Irys, wie gut ein Prinz auch sein mag − und ich habe noch nie für mich in Anspruch genommen, ein Heiliger zu sein, Schätzchen! −, zumindest einige seiner Untertanen werden immer aus irgendeinem Grund über ihn verstimmt sein. Das ist nun einmal so. Ich könnte niemals alle gleichzeitig glücklich machen, so sehr ich das auch versuchen würde. Das ist auch einer der Gründe, warum ich mich stets bemühe, nicht unablässig nur der einen oder anderen Gruppe auf die Zehen zu treten − zumindest nicht hier zu Hause −, und einer der Gründe, ständig den Adel und dessen Forderungen und Bedürfnisse mit den Forderungen und Bedürfnissen der Bürgerlichen abzuwägen. Natürlich lasse ich mir nicht den Schlaf davon rauben, dass ich niemals alle werde zufriedenstellen können,
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