Die Flotte von Charis - 4
und auch der Großinquisitor begreifen, wie sehr sie sich in dieser Hinsicht täuschen. Es wird Konsequenzen haben. Niemand wird irgendetwas unternehmen, solange keine Beweise vorliegen. Wenn aber derartige Beweise existieren und man sie aufspürt, dann werden die Männer, die zum Mord an charisianischen Kindern vor den Augen ihrer Mütter und Väter aufgehetzt haben, genau die Gerechtigkeit am eigenen Leib erfahren, die jedem Kindermörder zusteht. Mir ist egal, um wen es sich handelt, mir ist egal, welche Namen sie tragen, und mir ist auch egal, in welche Gewänder sie sich hüllen. Ist das jedem hier am Tisch eindeutig klar?«
Er ließ den Blick über die Runde schweifen. White Church wirkte ebenso betrübt wie zuvor, doch selbst er hielt dem eisigen Blick aus Caylebs braunen Augen stand, ohne mit der Wimper zu zucken. Schließlich nickte Cayleb.
»Gut«, sagte er leise. Dann holte er tief Luft.
»Allerdings«, fuhr er mit bewusst sanfterer Stimme fort, »glaube ich − damit niemand von Ihnen auf die Idee kommt, ich würde allmählich verweichlichen, bloß weil ich so großen Wert auf ›Beweise‹ lege −, wir müssen König Zhames, Ferayd und Delferahk im Allgemeinen zumindest deutlich erkennbar einen Klaps auf die Finger geben. Nur als allgemeinen Hinweis, dass wir auch nicht sonderlich glücklich darüber sind, wie sie sich verhalten haben. Und da es uns darauf ankommt, dass auch andere aus diesem Beispiel lernen, möchte ich, dass dieser Klaps hart ausfällt. Sehr hart.«
»Und wie genau sollen wir dabei vorgehen, Euer Majestät?«, fragte Lock Island erkennbar vorsichtig.
»Für die Invasion in Corisande werden wir nicht die gesamte Navy benötigen«, erwiderte Cayleb. »Natürlich müssen wir stark genug sein, damit die Sicherheit der Truppentransporter gewährleistet ist. Und wir benötigen auch genügend leichte Einheiten, um die Flanken in dem Maße zu sichern, wie das erforderlich ist, und auch, um Hektors Häfen blockieren zu können. Aber wie sehr er sich auch anstrengen mag, seine eigene Flotte wieder aufzubauen, er kann noch nicht über mehr als nur eine Handvoll Schiffe verfügen … bislang. Zum Teil auch, weil es so wichtig ist, dass sich das nicht mehr ändert, werde ich nicht hinnehmen, mich gänzlich von Corisande ablenken zu lassen.
Wir hingegen haben mittlerweile mehr als fünfzig Galeonen in Dienst gestellt. Ich könnte mir vorstellen, zwanzig oder dreißig davon für einen anderen Zweck als die Invasion in Corisande abzustellen, Bryahn. Ich denke, wir sollten sie Admiral Rock Point überlassen und ihn anweisen, er solle in Ferayd … Protest einlegen. Ein paar Marines kann er auch haben. Zumindest genug, um so ziemlich das gesamte Hafenviertel von Ferayd in Schutt und Asche zu legen.«
Mit diesem letzten Satz war Caylebs Stimme wieder hart wie Fels geworden. Dennoch lag darin immer noch mehr Wärme als in den braunen Augen, mit denen er nun ruhig Lock Island anblickte.
»Ich wünsche hier kein Vergeltungs-Massaker, Bryahn. Sorgen Sie dafür, dass das sämtlichen Ihrer Captains eindeutig bewusst ist. Gerechte Strafe für die Schuldigen, ja, aber ich möchte nicht, dass unsere Leute sich zu etwas provozieren lassen, was auch nur als Vergeltungs-Massaker ausgelegt werden könnte. Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass die ›Vierer-Gruppe‹, selbst wenn es uns gelingen sollte, keiner einzigen Seele auch nur ein einziges Haar zu krümmen, dennoch verkünden wird, wir hätten die halbe Stadt vergewaltigt und ermordet. Aber letztendlich wird sich die Wahrheit durchsetzen. Und wenn das geschieht, dann möchte ich, dass das für Clyntahn zu einem ernstlichen Problem wird, nicht für uns. Aber nachdem das nun gesagt wäre: Ich möchte auch, dass anschließend kein einziges Schiff mehr im Hafen zu finden ist und dass im Umkreis von zwei Meilen des Ufers kein einziges Gebäude mehr steht. Haben wir uns verstanden?«
»Jawohl, Euer Majestät«, bestätigte Lock Island förmlich, ohne einen Hauch der sonst üblichen Ungezwungenheit.
»Gut. Ich möchte auch sämtliche unserer Captains und Freibeuter darüber informiert wissen, dass die Jagdsaison auf alle Schiffe eröffnet ist, die unter delferahkanischer Flagge fahren. Und ich stelle noch einmal in aller Deutlichkeit klar, dass ich keinerlei unnötige Brutalität und keine Rachemorde dulden werde. Aber auch, dass in … von heute an gezählt zwei Monaten kein einziges Handelsschiff unter delferahkanischer Flagge mehr auf den Meeren von
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