Die Flotte von Charis - 4
in meine Gebete eingeschlossen, seit Bischof-Vollstrecker Zherald und Pater Paityr den letzten Brief Eures Herrn Gemahls erhalten haben, und doch hätte ich niemals zu hoffen gewagt, Er lasse uns die Gnade zukommen, dieses Schreiben jemals nach Charis gelangen zu lassen!«
»Ein Schreiben, Eure Eminenz?«, wiederholte seine Besucherin. Erzbischof Maikel erkannte die Müdigkeit und die Anspannung in ihrer Stimme, doch zugleich hob die Frau fragend die Augenbrauen, und ihr Blick wurde sehr ernst. »Es ist Erayk gelungen, Briefe aus seinem Verlies zu schmuggeln?«
»Oh ja, oh ja«, bestätigte Staynair. Nun umfasste er auch mit der anderen Hand die zitternden Finger seiner Besucherin und schüttelte den Kopf. »Zumindest einen. Ich weiß nicht, wie ihm das gelungen ist, und ich werde auch nicht verhehlen, dass Erzbischof Erayk und ich nicht immer der gleichen Ansicht waren. Ganz offensichtlich ist alleine schon das, was sich seit seinem letzten Besuch hier in Charis ereignet hat, ein eindeutiger Beweis dafür. Doch anhand des letzten Briefes, den er irgendwie dem Bischof-Vollstrecker und Pater Paityr hat zukommen lassen, kann ich Ihnen sagen, dass Ihr Herr Gemahl am Ende seinen Lebens sich wahrhaft an die Berührung Gottes erinnert hat.« Wieder schüttelte Staynair den Kopf. »Wir haben hier in Charis keinerlei Bestätigung seines Todes erhalten, doch anhand des Briefes, den er gesandt hat − und auch aufgrund Ihres Eintreffens hier −, muss ich annehmen, das Ende, das er bereits vorhersah, habe ihn letzten Endes tatsächlich ereilt.«
»Oh ja.« Es war fast nur ein Flüstern; ihr Kinn zitterte, in ihren Augen glitzerten Tränen. »Oh ja, Eure Eminenz. Das hat es tatsächlich. Und Ihr habt recht. Ich glaube, er hat tatsächlich Gottes Berührung gespürt, trotz allem, was es ihn kosten sollte.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Staynair sanft nach, denn in ihrer Stimme, in ihrem ganzen Verhalten, lag irgendetwas, das mehr aussagte als nur ihre Worte. Einen Augenblick lang schaute sie ihn nur an, dann blickte sie zu den beiden Jungen hinüber, die sie und den Erzbischof mit schmerzerfüllten, ängstlichen Augen anschauten.
»Eure Eminenz«, wich sie aus, »dies sind meine Söhne, Tymythy Erayk und Styvyn.« Tymythy, der ältere der beiden, nickte gehorsam mit dem Kopf, als seine Mutter ihn dem Erzbischof von Charis vorstellte, doch sein Gesichtsausdruck blieb skeptisch; Styvyn hingegen starrte den Erzbischof nur an. Die Trauer und die Anspannung, die dem Jüngeren der beiden körperlich anzumerken waren, durchfuhr Staynair wie ein Messer, und seine Rechte ließ Madame Dynnys los; nun streckte er die Hand den beiden Kindern entgegen.
»Tymythy«, sagte er und schüttelte dem jungen Burschen die Hand, als habe er es mit einem Altersgenossen zu tun, dann lockerte er den Griff wieder und legte dem Jüngeren der beiden Brüder die Hand sanft auf den Kopf. »Styvyn. Ich weiß, dass das, was ihr in den letzten Monaten erlebt habt, furchtbar erschreckend gewesen sein muss. Ich kann mir noch nicht einmal vorstellen, wie eure Mutter es geschafft hat, euch alle nach Charis zu bringen. Aber das eine weiß ich, ihr seid hier in Sicherheit, und eure Mutter ebenso. Niemand wird euch hier irgendetwas antun, niemand wird euch bedrohen, und ich weiß, ich spreche auch im Namen König Caylebs, wenn ich euch allen sage, dass ihr alle drei unter seinem persönlichen Schutz steht. Und auch dem meinen.«
Styvyns Unterlippe zitterte. Tymythys Miene wirkte deutlich verschlossener, skeptischer, doch dann nickte er erneut.
»Können Ihr und ich kurz alleine miteinander sprechen, Eure Eminenz?«, erbat Adorai. Erneut huschte ihr Blick zu ihren beiden Kindern hinüber, die beide immer noch Staynair anschauten, und der Erzbischof nickte.
»Selbstverständlich.« Er ging zur Tür seines Büros hinüber, öffnete sie und blickte in das Vorzimmer, in dem wie gewohnt Ushyr saß. »Bryahn, würden Sie Tymythy und Styvyn hier bitte zur Küche hinunterführen und schauen, ob Cook nicht irgendetwas zu Essen für die beiden auftreiben kann?« Über die Schulter hinweg blickte er die beiden Jungen an und lächelte. »Es ist zwar schon ein paar Jahre her, dass ich so alt war wie ihr, Jungs, aber ich glaube mich zu erinnern, dass es fast unmöglich war, mich wirklich anständig satt zu kriegen.«
Der Anflug eines Lächelns huschte über Tymythys Gesicht, dann verschwand es wieder. Ängstlich blickte er zu seiner Mutter hinüber, und sie
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