Die Flotte von Charis - 4
Lady, und beizeiten werden auch Ihre Söhne das begreifen. Es wird Ihnen nicht den Schmerz nehmen, aber vielleicht wird es ihnen wenigstens ermöglichen, für ihren Vater jenen Stolz zu empfinden, den er sich zum Ende seines Lebens redlich verdient hat. Und auch wenn Gott weiß, dass diese Kinder − und auch Sie selbst − Zeit benötigen, bis diese Wunden verheilen können, so verspreche ich Ihnen, wir werden Ihnen jegliche Zeit gewähren und jegliche Unterstützung zukommen lassen, die uns nur möglich ist.«
»Das macht mich glücklich«, sagte sie leise, und fragend hob Staynair eine Augenbraue. Madame Dynnys bemerkte es und schüttelte den Kopf.
»Das macht mich glücklich«, wiederholte sie. »Ich hatte gehofft und gebetet, dass Erayk nicht umsonst gestorben ist. Dass die ›Vierer-Gruppe‹ tatsächlich gelogen hat und derjenige, der hier in Charis den Platz meines Mannes eingenommen hat, wahrlich ein Mann Gottes ist, nicht nur jemand, der auf einen politischen Vorteil bedacht ist − so berechtigt das angesichts des Amtsmissbrauchs durch die Kirche selbst auch hätte sein können. Ich bin glücklich, dass der Mann, der an seine Stelle getreten ist, wahrlich ein Mann Gottes ist.«
»Ich bemühe mich.« Zugleich ein wenig belustigt und traurig lächelte er die Witwe seines Amtsvorgängers an. »Es gibt Zeiten, da bin ich mir meines Erfolges dabei nicht so sicher, wie ich das gerne wäre. Aber ich versuche es wirklich.«
»Das merke ich.« Noch einen Moment lang blickte sie ihn an, dann holte sie tief Luft. »Vater«, sagte sie, »ich habe gesündigt, und es sind drei Monate vergangen, seit ich zum letzten Mal eine Messe besucht habe. Werdet Ihr mir die Beichte abnehmen?«
.XI.
Königlicher Palast, Tellesberg, Königreich Charis
»Majestät?«
Unwillkürlich wandte sich Sharleyan dem hochgewachsenen Gardisten mit der erschreckenden Narbe auf der Wange zu − Captain Athrawes −, als er ehrerbietig den privaten Speisesaal betrat. Dann bemerkte sie, dass Cayleb im selben Augenblick genau das Gleiche getan hatte, und kicherte leise.
Sie hasste es, wenn sie sich selbst dabei ertappte zu kichern. Leises ›in sich Hineinlachen‹ war akzeptabel. Gleiches galt für ›schallendes Gelächter‹ − wenn es denn angemessen war. Aber ›Kichern‹ war entschieden zu mädchenhaft. Wenn sie sich selbst Kichern hörte, hatte sie immer das Gefühl, plötzlich wieder zwölf Jahre alt zu sein. Schlimmer noch, es gab ihr das Gefühl, jeder andere, der es hörte, musste genau das Gleiche über sie denken, und doch war es Sharleyan nie gelungen, sich das Kichern ganz abzugewöhnen, und nun spürte sie, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
Doch dann warf sie verstohlen einen Blick zu Cayleb hinüber. Sie sah die gleiche verschmitzte Belustigung in seinen Augen, und das war dann doch zu viel. Aus dem − verhassten − Kichern wurde schallendes Gelächter, und Sharleyan blickte ihren zukünftigen Gemahl kopfschüttelnd an.
»Mir scheint, sich daran zu gewöhnen, eine Besucherin in eines anderen Regenten Palast zu sein, fällt mir schwerer, als ich gedacht habe«, sagte sie.
»Unsinn«, erwiderte er. »Ihr mögt neu an diesem Hofe sein, Meine Lady, aber Ihr seid gewiss keine ›Besucherin‹. Nicht hier. Was wir brauchen, ist ein neues Protokoll, sodass wir beide wissen, welche ›Majestät‹ im jeweiligen Augenblick gemeint ist − obwohl es natürlich etwas dem eigentlichen Sinn der Sache widerspricht, wenn man ein Protokoll eigens für jene Gelegenheiten einführt, in denen die Anrede eben etwas formloser ausfällt.«
»Das mag ja sein. Aber in diesem Augenblick, hier und jetzt, bin ich mir recht sicher, das Captain Athrawes Euch gemeint hat.«
»Das habe ich tatsächlich, Eure Majestät«, erklärte Athrawes ernsthaft.
Respektvoll verneigte sich der Gardist, doch in seinen fast widernatürlich-saphirblauen Augen erkannte Sharleyan ein gewisses, äußerst erstaunliches Funkeln. Sie mühte sich nach Kräften, sich ihre Verwunderung und ihre Neugier über dieses unziemliche Verhalten nicht anmerken zu lassen.
Sie war vor weniger als zwölf Stunden im Palast von Tellesberg eingetroffen, und von denen hatte sie drei in dem unausweichlichen, förmlichen Mittagsbankett mit seinen eisernen Umgangsformen verbringen müssen − einem Bankett, bei dem es ihr schien, als hätten ihm drei Viertel der Bürger von ganz Charis beigewohnt. Dennoch hatte sie bereits bemerkt, dass die Art und Weise, wie dieser Athrawes und
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