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Die Flotte von Charis - 4

Die Flotte von Charis - 4

Titel: Die Flotte von Charis - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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Bedeutung war. Ebenso wie er selbst war die ganze charisianische Gemeinde hier in Siddar hinund hergerissen, und so gab es begeisterte Anhänger dessen, was schon jetzt als ›Kirche von Charis‹ bezeichnet wurde, und ebenso gab es Tempelgetreue. Sir Rayjhis vermutete, dass ein Teil dieser Spaltung hier auch auf die Distanz zwischen Siddar und Charis zurückzuführen war. Falls er sich nicht allzu sehr täuschte, stellten die Tempelgetreuen im Königreich selbst nur eine verschwindend geringe Minderheit dar, während mindestens die Hälfte aller in Siddar lebenden Charisianer treu zur Kirche in Zion standen.
    Bedauerlicherweise scheinen die meisten Siddarmarkianer nicht zwischen der einen und der anderen Charisianer-Gruppe unterscheiden zu können, dachte er düster. Und schlimmer noch, ich bin mir nicht sicher, dass die Kirche diesen Unterschied erkennen wird. Es ist ja schon schlimm genug, dass die Charisianer an sich so gespalten sind − teilweise sogar Familienmitglieder untereinander! Diese Spaltung führt zu Zorn, sogar zu Hass, und das zwischen Menschen, die einst Freunde waren, zwischen Brüdern, zwischen Kindern und ihren Eltern. Aber wenn diejenigen, die treu zur Kirche stehen wollen, nun feststellen müssen, dass sie von der ›Vierer-Gruppe‹ mit den Feinden der Kirche einfach in einen Topf geworfen werden, dann geht jegliche Möglichkeit einer Aussöhnung unweigerlich und sofort den Bach runter. Und was mache ich dann?
    Auf diese Frage wusste er keine Antwort. Keine Antwort außer den Eiden, die er abgelegt hatte, und den Pflichten, die zu übernehmen er sich bereit erklärt hatte, als man ihm die Aufgabe übertrug, als König Haarahlds Botschafter zu Reichsverweser Greyghor zu reisen.
    Er blickte immer noch aus dem Fenster, als jemand leise an die Tür zu seinem Büro klopfte. Erstaunt hob er die Augenbrauen, dann drehte er sich stirnrunzelnd um. Es war später Nachmittag, und in seinem Kalender waren dankenswerterweise keine weiteren Termine eingetragen. Doch der Klopfrhythmus − zweimal, einmal, dreimal, zweimal − war das Warnsignal seines Sekretärs, ein wichtiger Besucher erwarte ihn.
    Er trat vom Fenster zurück, ging rasch zu seinem Schreibtisch hinüber und nahm in dem dahinterstehenden Sessel Platz.
    »Herein!«, rief er freundlich und bereitete sich innerlich darauf vor, Überraschung zu heucheln, sobald sein unerwarteter Besucher eintrat.
    Es stellte sich heraus, dass er diese Überraschung nicht einmal zu heucheln brauchte.
    »Herr Botschafter, Meister Khailee hätte Sie gerne kurz gesprochen«, erklärte Zheryld Mahrys, sein Sekretär.
    »Selbstverständlich«, gab Dragoner sofort zurück. »Ich danke Ihnen, Zheryld.«
    »Gern geschehen, Herr Botschafter.«
    Mit der ihm eigenen ruhigen Effizienz zog sich Mahrys zurück, und Dragoner setzte die professionelle Diplomatenmiene auf, als er dann mit seinem Besucher allein war.
    Rolf Khailee war ein recht hochgewachsener Mann, mit der hellen Haut und dem blonden Haar, die so charakteristisch für die Republik waren, doch Dragoner, der nun einmal Charisianer gewohnt war, erschien es immer noch ungewohnt. Der Mann war mittleren Alters und hatte eine auffallend geformte Nase, die unweigerlich zu der Vermutung führte, er könne der einflussreichen Familie Stohnar angehören − was in seinem Falle auch ganz korrekt war. Tatsächlich war er sogar recht eng mit dem Reichsverweser verwandt … und sein Name war auch nicht ›Rolf Khailee‹. Eigentlich hieß er ›Avrahm Hywstyn‹ − Lord Avrahm Hywstyn −, und er war auf mittlerer Ebene für das Außenministerium der Republik tätig. Was genau er dort tat, entzog sich den meisten, auch wenn seine Verwandtschaft zum Reichsverweser zweifellos reichlich Anlass zu Spekulationen bot.
    Sir Rayjhis Dragoner hingegen war auf derlei Spekulationen nicht angewiesen. Er gehörte zu den wenigen, die sehr genau wussten, dass Lord Avrahm im Auftrag seines Großcousins den Finger am Puls der Zeit hatte, was die Beziehungen der Republik mit jenen Reichen betraf, die von besonderer Bedeutung waren. Natürlich würde niemand das auch offen zugeben, nicht einmal − oder besser: vor allem nicht − Reichsverweser Greyghor, daher trat Hywstyn stets als ›Meister Rolf Khailee‹ auf. Dragoner wusste sehr genau, dass dieses Versteckspiel niemanden zu täuschen vermochte, doch darum ging es überhaupt nicht. Diese Maskerade ermöglichte zumindest eine offizielle Trennung verschiedener Interessensgebiete. Sie war

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