Die Flotte von Charis - 4
ihm freundlicherweise, wir hätten eine Anweisung des Kanzlers erhalten, übermittelt im Auftrag des Großinquisitors. Selbstverständlich kann ich bei einer derart vertraulichen Depesche unmöglich auf Einzelheiten eingehen, aber Sie könnten ihm freundlicherweise auch noch ausrichten, wir benötigten seine offizielle Genehmigung, damit der Hafenmeister, der Leiter des Zollamts und der Hafenadmiral die Anweisungen des Großinquisitors auch durchsetzen können. Und …« − nun blickte er Dragoner geradewegs in die Augen − »… wir sind auch auf seine Instruktionen angewiesen, wo und wie wir die Besatzungen und die Offiziere der Handelsschiffe unterbringen sollen, die von der Durchsetzung dieser Anweisungen betroffen sind, bis die Kirche ihre eigenen Vorkehrungen diesbezüglich getroffen hat.«
Dragoners Magen krampfte sich zu einem winzigen Knoten zusammen. Er wusste, dass seine Miene entschieden zu viel verriet, doch für einen kurzen Moment hatten ihm seine trainierten Diplomatenreflexe schlichtweg den Dienst versagt.
»Selbstverständlich«, hörte er sich selbst sagen.
»Ich danke Ihnen«, wiederholte ›Meister Khailee‹, dann schob er seinen Sessel zurück und erhob sich. »Nun, Herr Botschafter, es war mir wie stets ein Vergnügen. Allerdings muss ich nun leider gehen. Es gibt noch mehrere andere Orte, an die ich Nachrichten für den Reichsverweser weitergeben muss − nur für den Fall, dass er tatsächlich vorbeischaut. Und ich fürchte auch, dass es recht dringend ist. Wir benötigen seine diesbezüglichen Entscheidungen spätestens morgen zu Sonnenaufgang.«
»Ich verstehe.« Auch Dragoner erhob sich und geleitete seinen Gast zur Tür. »Ich hoffe, Sie werden ihn rechtzeitig finden, und sollte ich ihn zufälligerweise sehen, werde ich Ihre Nachricht gewiss übermitteln.«
»Dann, Herr Botschafter, wünsche ich Ihnen noch einen guten Tag«, verabschiedete sich der Siddarmarkianer. Kurz deutete er eine höfliche Verneigung an, dann trat er durch die Tür und schloss sie hinter sich.
Mehrere Sekunden lang starrte Dragoner angespannt jene Tür an, dann riss er sich zusammen. Er wusste − oder er war sich zumindest recht sicher zu wissen −, warum Reichsverweser Greyghor dafür gesorgt hatte, dass ihn ›Khailees‹ Warnung erreichte, trotz des immensen Risikos, das sowohl er als auch sein Großcousin damit eingingen. Und als charisianischer Botschafter wusste Dragoner ganz genau, was er mit dieser Warnung nun anzustellen hatte. Doch noch während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, zuckte der treue Sohn der Kirche, der er nun einmal war, innerlich zusammen angesichts der Vorstellung, wissentlich und willentlich eine unmittelbare Anweisung der Großinquisitors persönlich zu sabotieren − des Großinquisitors, der im Auftrag der Rates der Vikare sprach.
Aber er spricht nicht im Auftrag des gesamten Rates, versuchte sich Dragoner selbst fast verzweifelt einzureden. Er spricht für die ›Vierer-Gruppe‹, und Gott alleine weiß, welches Ziel die letztendlich anstrebt! Aber selbst wenn das stimmt, entbindet mich das doch nicht von meiner Verantwortung, den ausdrücklichen Willen und die Dekrete von Mutter Kirche zu ehren. Aber wenn ich diese Information nicht dazu nutze, auch zu handeln, dann …
Er beugte sich vor, lehnte die Stirn gegen das kühle Holz der Tür, während sein Gewissen mit seiner Pflicht rang und seine Überzeugung mit unwilligem Begreifen. Und dann, schließlich, holte er tief Luft, richtete sich auf und öffnete die Tür. Der junge Mahrys wartete bereits, und Dragoner lächelte ihm zu.
»Suchen Sie mir einige Boten zusammen, Zheryld«, sagte er. »Leute, bei denen Sie sich darauf verlassen können, dass sie hinterher auch den Mund halten.«
»Jawohl, Sir. Öhm … welche Nachricht werden sie zu übermitteln haben?«, erkundigte sich Mahrys, und Dragoners Lächeln verwandelte sich in etwas, das entschieden zu sehr einem Grinsen ähnelte.
»Sagen wir einfach, jegliches Schiff unter charisianischer Flagge hier in Siddar wird feststellen, dass es dringende Geschäfte irgendwo anders zu erledigen hat. Ganz egal wo, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Unwillkürlich weiteten sich Mahrys’ Augen. Jegliche Farbe wich ihm aus dem Gesicht, und er schluckte heftig.
»Jawohl, Sir«, bestätigte er nach einem kurzen Moment voller Anspannung. »Ich glaube, ich weiß ganz genau, welche Männer wir hier benötigen.« »Das kommt mir allmählich niederschmetternd vertraut vor«,
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