Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
sich hierbei handelte. Der lustige Barde Regino hatte auf ihrer gemeinsamen Reise immer wieder davon gefaselt.
» So ist es. Begleitet Ihr mich, werter Ritter Crispin Vogelfrei? « , fragte Konrad erwartungsvoll. Er wünschte sich, nach allem, was die beiden Freunde zusammen durchgemacht hatten, sehr, Crispin auch weiterhin an seiner Seite zu wissen.
» Was bleibt mir anderes übrig? « , entgegnete dieser lapidar. » Ich habe ohnehin den Eindruck, vom Herrgott zu deinem Schutzengel ausersehen worden zu sein. «
» Wärst du mein Schutzengel, dann hätte der Vater im Himmel dich nicht monatelang vergeblich nach mir suchen lassen, während ich in diesem elenden Verlies dahinsiechte und nun bloß aus Haut und Knochen bestehe. Einst sagte man mir nach, ich sei ein ansehnliches Mannsbild… « , beschwerte sich Konrad spöttisch. Innerlich jubelte er über den Entschluss des Freundes.
» Schönheit ist vergänglich, und Eitelkeit eine Todsünde « , konterte Crispin ungerührt. » Außerdem kannst du froh sein, dass ich die Burg Topfen nicht sofort finden konnte. Wäre ich noch vor Ausbruch der Pest dort aufgetaucht: Wie hätte ich dich dann so einfach aus dem Kerker holen können? «
» Naja, offenbar scheint auch Tapferkeit vergänglich zu sein, Crispin. Jetzt nimmst du dir schon eine Seuche zur Hilfe, um nicht zu deinem Schwert greifen zu müssen. Was ist nur aus dem edlen Ritterstand geworden? « Konrad schüttelte hämisch den Kopf.
Anders als er schien Crispin diesen Spott durchaus ernst zu nehmen, denn mit eiserner Miene und steif nach vorn gerichtetem Kinnbart zog er auf einmal sein Schwert, den einzigen ritterlichen Gegenstand, der ihm geblieben war.
» Was ist dir? Ich meinte es doch nicht so « , protestierte Konrad.
Crispin reckte als Antwort nur seinen spitzen Bart noch mehr nach vorn in Richtung der engen Wegbiegung, die vor ihnen lag.
» Da drüben sind Buschklepper unterwegs « , zischte er. » Die haben gerade zwei Pilger in den Wald gezogen. «
Noch bevor die beiden Reiter an der Stelle angekommen waren, an der Crispin die Räuber gesehen hatte, kam auch schon eines der Opfer in kopfloser Flucht auf den Weg zurückgestolpert und fiel unmittelbar vor den Füßen von Konrads Pferd zu Boden. Schon war einer der Diebe zur Stelle und wollte mit einem Beil auf den Flüchtling einschlagen, als Crispin, noch bevor der Räuber seiner gewahr geworden war, herangaloppiert kam und diesem mit einem gezielten Hieb den Schädel spaltete. Wankend bewegte sich der Strauchdieb noch einige Schritte vor und zurück, bevor er schließlich tot in eine Pfütze fiel, deren schmutziges Wasser sich sofort dunkelrot färbte.
Aus dem nahen Gebüsch waren erneut Schritte zu vernehmen, und wieder kam eine Gestalt hervorgeschossen, auf die Crispin erneut mit seinem blutigen Schwert losgegangen wäre, hätte er nicht im letzten Moment in dem Mann den zweiten der überfallenen Pilger erkannt. Der Rest der Räubermeute schien indessen Reißaus zu nehmen, man hörte sie unter allmählich verklingenden Flüchen im nahen Wald verschwinden.
Konrad war von oben bis unten mit dem Blut des Mannes bespritzt, den sein treuer Freund soeben in recht grober, aber durchaus gewohnter Manier zur Strecke gebracht hatte. Doch er bemerkte es gar nicht, obgleich ihm die roten Tropfen bereits von der Nasenspitze in den Bart rannen. Wie gebannt starrte Konrad auf den Pilger, der als Zweiter auf den Weg zurückgelaufen war und dem Crispin um Haaresbreite ebenfalls einen tödlichen Streich verpasst hätte.
Er trug eindeutig das schlichte Gewand eines Pilgers, aber dennoch war Konrad sich sicher, wen er da eigentlich vor Augen hatte.
Schon mehrmals hatte er ihn gesehen.
Zweimal war dieser, als junger Bursche noch, zusammen mit seinem mittlerweile verstorbenen Vater auf Preußenfahrten ins Ordensland gegangen, hatte zusammen mit Konrad an Litauerjagden teilgenommen. Und auch in der Schlacht von Crécy, gegen die so erschreckend überlegenen Engländer, hatte Konrad an der Seite dieses Mannes gekämpft, welcher in ebendieser Schlacht seinen Vater verlor.
Ja, Konrad war sich ganz sicher, wer dieser Pilger war, der lediglich in Begleitung eines einzigen Gefährten zu Fuß auf einem ungeschützten Pfad an der Donau unterwegs war.
Es war Wenzel aus Böhmen.
Seit seinem siebenten Lebensjahr Karl genannt.
Seines Zeichens König von Böhmen und zudem gewählter Rex Romanorum, also auch König über das deutsch-römische Reich.
Wie von Geisterhand
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